Nachrichten im Netz: Harte Zeiten für harte News

Das Wachstum der Anbieter klassischer Nachrichten im Netz ist bescheiden. Wachstum bringen offenbar nur Boulevard und Unterhaltung.

Bild und Spiegel Online liegen weiter in Führung, FOCUS Online und n-tv holen auf und der Rest kann das Tempo nicht mehr mitgehen, zeigt die Visit-Entwicklung der Nachrichtensites in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren. Besonders auffällig: Unterhaltung und/oder Nutzwert scheinen die dominanten Wachstumstreiber zu sein, die den Unterschied ausmachen. Wer seine Leser „nur“ mit harten Nachrichten bedient, hat im Wettbewerb um die Gunst neuer Leser im Moment das Nachsehen. Offenbar sind die Nutzer weitgehend verteilt; große Wanderungsbewegungen nicht mehr zu erwarten.

Werden statt der absoluten die prozentualen Zuwächse betrachtet, sieht die Lage für die Anbieter der harten News wie FAZ.NET zwar etwas besser aus. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Steigerungen auf der niedrigen Basis nicht reichen, um den Anschluss am Lesermarkt halten. Ob eine klickoptimierte Strategie auch am Werbemarkt funktioniert, steht natürlich auf einem anderen Blatt. Premiumpreise sind in diesen Regionen des Marktes nicht zu erwarten.

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Zudem wird die Konkurrenz im unteren Marktsegment größer, da immer mehr Anbieter mit einer Mischung aus weichen und (ein paar) harten News wie demnächst Buzzfeed Deutschland auf den Markt kommen, die kein Problem haben, Katzenbilder direkt neben der Kanzlerin zu platzieren. Dazu kommen am Ende der Trash-Skala noch die reinen Click-Bait-Anbieter wie Heftig.co, die sich auch ein Stück des Werbekuchens holen wollen, da sie Native Advertising ohne Rücksicht auf ihre – nicht vorhandene – Reputation einsetzen können. Die Verlagerung der Nutzung auf mobile Geräte kommt ihnen zusätzlich entgegen, da native In-Stream-Werbung dort wesentlich besser funktioniert als klassische Banner, die sich störend über den Text legen. Diese Sites funktionieren nur, weil sie auf Facebook erfolgreich Klicks generieren. (Größter Profiteur dieser Entwicklung ist übrigens Facebook selbst, dessen Anteil am Werbemarkt auf Smartphones etwa 20 Prozent beträgt und damit etwa vier Mal höher ist als auf Desktops. )

Da sich im Moment alle Anbieter mehr oder weniger in Richtung Boulevard bewegen, entsteht gerade eine Lücke am oberen Ende, vor allem bei Wirtschaftsinformationen. Die Börsenzeitung verschläft das Internet, die FTD ist eingestellt und das Handelsblatt neigt auch immer mehr dazu, Geschichten zu überdrehen – was die Stammklientel nicht wirklich mag. Das Fenster für ein hochwertiges Paid-Content-Angebot für Wirtschaftsnachrichten aus Deutschland ist offen.

Der Blick auf die Umsatzquellen der Verlage zeigt, dass Online-Werbung die Ausfälle im Printgeschäft auch 20 Jahre nach dem Start der ersten Nachrichtensite nicht kompensieren kann. Besonders deutlich ist dies bei den Tageszeitungen zu sehen, deren Werbeerlöse seit 2011 beschleunigt abstürzen. Bisher haben höhere Preise für die Printausgabe, ein Mitarbeiterabbau und der Verkauf des Tafelsilbers die Bilanzen einigermaßen retten können. Dauerhaft lassen sich aber alle drei Auffangbewegungen nicht anwenden.

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Da die Online-Werbung vor allem auf mobilen Geräten als alleinige Umsatzquelle schwieriger wird, arbeiten fast alle Nachrichtenanbieter zusätzlich an der Einführung von Bezahlinhalten. Bild und Welt sind vorausgegangen; die anderen Sites experimentieren schon oder programmieren gerade ihre Paid-Content-Systeme. Das Projekt wird bei dem harten Verdrängungswettbewerb nicht leicht, ist aber alternativlos.

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