Rocket Internet wird zur „Blackbox“ für Investoren

Die Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet will bei ihrem Börsengang rund 1,5 Milliarden Euro für das weitere Wachstum einsammeln, was einer Verdoppelung gegenüber dem erst kürzlich verkündeten Ziel von 750 Millionen Euro bedeutet. Die Aktien kommen in einer Preisspanne zwischen 35,50 und 42,50 Euro an den Markt. Zum Mittelwert der Preisspanne und vollständiger Ausübung der Mehrzuteilungsoption […]

Die Berliner Startup-Schmiede Rocket Internet will bei ihrem Börsengang rund 1,5 Milliarden Euro für das weitere Wachstum einsammeln, was einer Verdoppelung gegenüber dem erst kürzlich verkündeten Ziel von 750 Millionen Euro bedeutet. Die Aktien kommen in einer Preisspanne zwischen 35,50 und 42,50 Euro an den Markt. Zum Mittelwert der Preisspanne und vollständiger Ausübung der Mehrzuteilungsoption (Greenshoe) beträgt die Bewertung 6,2 Milliarden Euro, nachdem das Unternehmen noch im Juli für nur 3,3 Milliarden Euro bewertet wurde. Schon heute sei das Angebot der Aktien inklusive des Greenshoes von der Nachfrage gedeckt, gab Oliver Samwer auf der Börsen-PK in Frankfurt bekannt. Den Erlös aus dem Börsengang werde Rocket für die Gründung weiterer Unternehmen nutzen, aber auch größere Firmen länger finanzieren.

Auf der Börsen-PK erklärten Oliver Samwer, Johannes Bruder (COO), Peter Kimpel (CFO) und Ex-CEO Alexander Kudlich eine Stunde lang das System von Rocket Internet, Firmen am Fließband zu gründen und in Rekordtempo groß zu machen. Nie wurde mit absoluten Umsatzzahlen hantiert; vieles blieb nebulös. Exakte Daten veröffentlicht Rocket Internet nur zu den größeren Unternehmen („Proven Winners“), die dann auch noch zu Gruppen zusammengefasst werden, was die Performance einzelner Firmen verschleiert. Zu den kleineren Startups werden keine Finanzdaten veröffentlicht, was Rocket Internet insgesamt zu einer Blackbox macht. Angesichts des enormen Zeithorizonts von bis zu 9 Jahren, den viele Neugründungen bis zum Erreichen der Gewinnzone noch vor sich haben, bleibt Rocket ein hochriskantes Investment. Kommt nur eine globale Wirtschaftskrise in dieser Zeit hinzu, könnte es für das Unternehmen sehr schwer werden, die Erwartungen zu erfüllen.

Die Notierung einer Firma mit der Bewertung eines Dax-Konzerns im Entry-Standard verstärkt zudem den Eindruck, dass sich Rocket zumindest noch ein gutes Jahr nicht so genau in die Karten schauen lassen will, aber jetzt schon das Geld braucht, um das weitere Wachstum zu finanzieren. Nur wer als Anleger starke Nerven und einen langen Zeithorizont hat sowie bereit ist, auch Schwankungen oder Rückschläge hinzunehmen, sollte in die Aktie investieren. Warum das Unternehmen innerhalb von zwei Monaten seinen Wert von 3,3 Milliarden Euro auf etwa 6 Milliarden Euro erhöht haben soll, bleibt ebenfalls unklar. Im Graumarkt wurden die Aktien aber schon mit einem deutlichen Aufschlag gehandelt; zumindest die institutionellen Investoren sind schon einmal überzeugt.

Zum Nachlesen kommen hier die wichtigsten Argumente der Rocket-Manager, die sie in Frankfurt auf der Pressekonferenz anführten:

Oliver Samwer:

  • Wir wollen die führende Internet-Plattform außerhalb der USA und China werden. „Die meisten Geschäftsmodelle im Internet haben wir gesehen, aber die Power im Netz begeistert uns weiterhin“, sagte Samwer. Das Ziel von Rocket sei, einmal eine Plattform zu schaffen, um die Lerneffekte nicht zu verlieren, um sie für das nächste Unternehmen zu nutzen.
  • Beim Aufbau eines Internet-Unternehmens in einem Schwellenland sei man nur am ersten Tag ein Online-Unternehmen. Danach sei immer der Aufbau der Infrastruktur für Logistik und Zahlung notwendig. „Meine Länder werden von 2 auf 28 oder 35 Prozent E-Commerce-Penetration gehen“, nannte Samwer als Beispiel, warum die Konzentration auf die Länder außerhalb der USA und Chinas erfolgt.
  • „Wir glauben, dass es Internet-Unternehmen in den nächsten zehn Jahren gelingen wird, sich zwischen Bank und Kunde zu schieben. Wir werden mehr Sektoren über die Zeit entwickeln. Rocket bleibt nie still“.
  •  Erst 2007 ging die zweite Internet-Revolution los, als das Smartphone kam. „Wenn das Smartphone nicht gekommen wäre, hätten wir heute nur 10 Prozent unserer Größe“.
  • Mein Lieblingstrend ist der „Leap Frop Effekt“: Je weniger Läden ein Land hat, desto schneller und größer entwickelt sich E-Commerce. Wer das nicht glaubt, der soll sich den Börsenprospekt von Alibaba anschauen. In Städten mit wenigen Läden wachse Alibaba deutlich schneller. In Amerika gebe es für 1000 Menschen ein Geschäft, in Afrika nur für 100000 Menschen.
  • Rocket ist eine „Operating Multi-Business-Plattform“.
  • In Nigeria gehört uns das Amazon von Nigeria, das Ebay von Nigeria, das Immobilienscout von Nigeria und das Autoscout von Nigeria. Wir versuchen, alle Konsumentenausgaben im Netz abzubilden.
  • Wir versuchen den Homescreen der Smartphone-Nutzer zu dominieren.
  • Wir gründen mindestens zehn neue Unternehmen im Jahr.
  • Es gibt keine E-Commerce-Aktien in Südostasien oder Afrika. Wer an dieser Entwicklung teilhaben möchte, muss in unsere Aktien investieren.
  • Es wird keine weiteren Abspaltungen wie bei Zalando mehr geben. Es kann sein, dass einige der größeren Unternehmen über die Zeit an die Börse gehen werden. Das ist aber eher die Ausnahme als die Regel.
  • Der Großteil des Emissionserlöses, also insgesamt rund 1 Mrd. Euro, geht in den Aufbau von neuen Unternehmen.
  • Die Aktie ist für Anleger, die einen sehr langfristigen Ansatz haben, weil sich unsere Märkte noch im Aufbau befinden.

Alexander Kudlich:

  • Keine andere Internet-Firma hat mehr Mitarbeiter in unseren Märkten. (5800 in Südamerika, 6300 in Asien, 2800 in Russland, 3000 in Europa und 2100 in Afrika). Damit schaffen wir auch eine große Eintrittsbarriere für künftige Wettbewerber, da Rocket schon heute sinkende Grenzkosten in diesen Märkten habe.

Johannes Bruder (COO):

  • Der Schlüssel ist Standardisierung. Eine Firma soll nach höchsten 100 Tagen gegründet sein. Der zweite Punkt ist die starke Arbeitsteilung zwischen dem Hauptquartier und dem lokalen Unternehmen vor Ort, wo wir uns auf die physischen Prozesse wie Lager oder Transport konzentrieren.  „Wenn wir Sonntagabend entscheiden, eine Firma zu gründen, beginnen Montagmorgen 40 Leute mit der Arbeit – weil sie es schon 20 Mal gemacht haben“. Punkt 3 ist proprietäre Technologie. Unternehmen haben von Tag 1 an eine Technologie zur Verfügung, so dass sie sich auf den Aufbau des Geschäfts konzentrieren können.

Peter Kimpel (CFO):

  • Jede Gesellschaft hat einen ganz klaren Pfad bis zur Profitabilität.
  • Die am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen hatten ein durchschnittliches Umsatzwachstum von 140 Prozent im Jahr.
  • Nur 6 Prozent des Kapitals wurde in Unternehmen finanziert, die nicht erfolgreich waren und geschlossen werden mussten.
  • Die Modeunternehmen haben 2013 zusammen 150 Prozent Wachstum erzielt.
  • Früher konnten wir Unternehmen nur in der Anfangsphase finanzieren und mussten dann relativ schnell neue Kapitalgeber suchen. Das führte zu einer starken Verwässerung unserer Anteile. Mit dem Börsengang möchten wir das Finanzierungsmodell ändern, um die Unternehmen auch in den weiteren Finanzierungsrunden unterstützen. Wir wollen nicht mehr nur Großaktionär sein, sondern Mehrheitsaktionär bleiben. Das Ziel lautet, künftig 100 Prozent an den Unternehmen zu behalten.
  • Das Geld aus dem IPO soll zur Finanzierung weiterer Gründungen dienen, aber auch zur Beteiligung an den fortgeschrittenen Unternehmen verwendet werden.
  • Keine der Investoren verkauft Aktien; die Aktien stammen komplett aus einer Kapitalerhöhung.
  • Von den 1,5 Mrd. Euro sind bereits 582 Millionen Euro an Cornerstone-Anteilseigner vergeben.
  • Wir geben Finanzdaten von den Unternehmen, die groß genug sind. Bei kleineren Unternehmen macht es keinen Sinn, Finanzzahlen zur Verfügung zu stellen.
  • Unternehmen haben 6 bis 9 Jahre  Zeit bis zur Profitabilität.

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