Künstliche Intelligenz als Gamechanger der Autoindustrie

Künstliche Intelligenz gehört zu den Schlüsselfaktoren in der Automobilindustrie. Connected Services, intelligente Produktion, autonomes Fahren und neue Geschäftsmodelle: So ziemlich alle Wettbewerbsfaktoren hängen von der KI ab.

Mercedes Benz

Das Schicksal von Tesla hängt an einem Supercomputer – und künstlicher Intelligenz. Kurz vor Teslas „AI Day 2“ hat der Elektropionier seine Fortschritte mit dem Supercomputer Dojo gezeigt, der zu den Top-10 in der Welt gehört und zu einem einzigen Zweck gebaut wurde: Neuronale Netze mit den Videos der umherfahrenden Teslas zu füttern, um autonomes Fahren zu ermöglichen. Dojos Erfolg wird entscheiden, ob Tesla künftig „sehr viel oder fast nichts“ wert sei, fasste Elon Musk die Bedeutung kdes autonomen Fahrens ürzlich zusammen. Denn diese Fähigkeit werde nicht nur den Wert jedes Teslas massiv erhöhen, sondern dem Unternehmen auch ermöglichen, Robotaxis auf die Straßen zu bringen. Das wäre dann ein neues Geschäftsmodell und könnte der Gamechanger für die Mobilitätsbranche werden, die ihre Umsätze in den kommenden Jahren mit diesen KI-unterstützten Systemen schrittweise nach oben schrauben wird. wie diese Prognose erwartet lässt.

Künstliche Intelligenz ist aber nicht nur das Herzstück des autonomen Fahrens oder diverser Fahrassistenzsysteme  – auch für viele andere Zukunftsthemen der Automobilindustrie ist die Technologie elementar, weshalb sich die Branche immer häufiger Hilfe bei Spezialisten wie NVIDIA, Mobileye oder SambaNova holt. Denn die Einsatzgebiete für KI sind vielfältig. Hier einige Beispiele:

KI in der Produktion

BMW will alle Werke weltweit zu „iFactories“ umbauen. Produktionsvorstand Milan Nedeljkovic sieht die Digitalisierung der Fabriken an einem „Tipping Point“ angelangt. Die digitale Transformation beschleunige sich gerade enorm, vor allem durch Künstliche Intelligenz, Virtualisierung und durch Streaming-Möglichkeiten der Datenströme, zum Beispiel für Digital Twins. „Bis Anfang 2023 wird jedes Werk voll digitalisiert sein“. Nedeljkovic erwartet sich vom Umbau zu iFactories eine Effizienzsteigerung von 25 Prozent und eine CO2-Reduktion um 80 Prozent. Die Hälfte der CO2-Einsparung soll bereits 2025 erreicht werden. ⇢ Automobilwoche

Ford hat ein System entwickelt, das Roboter und 3D-Drucker verschiedener Hersteller verbindet. Der Roboter kann den 3D-Drucker eigenständig betreiben und auf diese Weise die Produktion auch kleiner Stückzahlen rentabler machen. Laut Ford lernen die Roboter ständig aus den Daten des Druckers, um dem Automobilhersteller zu helfen, eine höhere Genauigkeit zu erreichen und die Fehlerquote zu verringern. „Dieser neue Prozess hat das Potenzial, die Art und Weise zu verändern, wie wir die Robotik in unseren Fertigungsanlagen einsetzen“, sagt Jason Ryska, Direktor für die Entwicklung der globalen Fertigungstechnologie. ⇢ Techcrunch

Zulieferer Benteler testet mit dem Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik eine KI-Lösung zur Erkennung von Anomalien in der Warmumformung. Dafür gleicht eine KI die Live-Sensordaten wie die Kühlwassertemperatur und -menge aus der Produktion mit Simulationsdaten ab. Thermografiekameras liefern Daten zur Wärmeverteilung in den Bauteilen. Auf dieser Basis ermittelt die KI die Bauteile, deren Qualität am Ende geprüft werden soll – und bei welchen diese Prüfung nicht nötig ist. Die automatisierte Qualitätskontrolle ist ein Kerneinsatzgebiet für Künstliche Intelligenz, für das vor allem Kenntnisse mit Computer Vision benötigt werden. Die Nachfrage am Arbeitsmarkt nach diesen Spezialisten hat sich in den vergangenen Jahren deutlich erhöht, wie unser KI-Jobmonitor zeigt. ⇢ Automobilwoche

KI im Service

  • Der digitale Zwilling des Porsche Taycan „hört“ genau zu und erkennt einen Servicebedarf lange vor dem menschlichen Ohr. ⇢ IT & Production
  • Bei einem Autounfall können Versicherungsnehmer (oder ihre Werkstatt) Fotos und Videos des Schadens an den Versicherer senden. Die KI-gestützte Softwarelösung von Tractable analysiert diese in Echtzeit und erstellt eine Bewertung des Schadens, inklusive benötigter Reparaturen und deren Kosten. Versicherer könnten ihren Kunden somit direkt eine fiktive Abrechnung oder eine Direktfreigabe für eine Reparatur anbieten, so Tractable weiter. Totalschäden würden schnell als solche erkannt, so dass gleich die nächsten Schritte eingeleitet werden könnten. Durch schnellere Reparaturfreigaben würden die Kosten für Mietwagen reduziert. Die frühere Rückgabe des Fahrzeugs soll zu einem besseren Service und zufriedeneren Kunden führen.

KI für Interfaces im Auto

Hey, Mercedes„: Künstliche Intelligenz ist auch einer der Treiber für moderne Interfaces im Auto. „In den Innovationsbereichen „Smarte und vernetzte Sprachsteuerung“, „Augmented Reality“, „Intuitive Bedienung“ sowie „Intelligente Displays“ werden die größten Entwicklungsschritte identifiziert. Die neuen User Interfaces profitieren von Algorithmen der Künstlichen Intelligenz, die die Gewohnheiten und Vorlieben der Fahrer und Mitfahrer erlernen. Virtuelle Assistenten können dadurch zunehmend die Wünsche sowie emotionalen Zustände des Fahrers und von Mitfahrern erkennen und entsprechende Aktionen auslösen“, heißt es im aktuellen Connected-Car-Report von CAM. Volkswagen und Mercedes sollen in der Kategorie „Interface“ aktuell die meisten Innovationen hervorbringen, hat der Report ergeben.

Zwar liegen deutsche Hersteller in diesem Innovationsranking noch vorne, doch der Vorsprung schwindet Jahr für Jahr. Chinesen und Amerikaner holen rapide auf, auch wegen höherer Investitionen in die künstliche Intelligenz. In vielen anderen Bereichen liegen sie bereits vorne: „Die Megatrends in der Automobilindustrie heißen autonom, Software, Elektrifizierung und Sharing, das Teilen. In welchem dieser Gebiete ist ein europäischer Player ganz vorne unter den ersten drei ist? In keinem“, kritisierte der ehemalige Opel-Chef Karl-Thomas Neumann auf dem Branchentreff Eliv schon im vergangenen Jahr. Im Bereich des autonomen Fahrens führen die Google-Tochter Waymo und chinesische Anbieter. Bei der Software sitzen die großen Player in den USA, ähnlich wie beim Sharing. Einzig bei der Elektrifizierung würden Europäer aufholen.

Die Grafik zeigt, dass Deutschland mehr Tempo in der Entwicklung von KI-Anwendungen aufnehmen muss. Kristian Kersting, KI-Professor an der TU Darmstadt und Co-Direktor von hessian.AI, hat dafür auch eine Idee: „Der technologische Fortschritt in der KI ist so rasant, dass einzelne Technologien schnell veralten. Daher gilt es, nicht nur die Algorithmen weiterzuentwickeln, sondern insbesondere den bilateralen Transfer durch die „Köpfe“ zwischen öffentlicher Forschung und Unternehmen zu stärken und auf diese Weise die Innovationskraft zu sichern. Die Firmen können nur innovativ sein, wenn ihre KI-Expertise auf dem neuesten Stand der Technik ist und ihre Fachleute mit den neuesten Technologien umgehen können. Sie haben allerdings viel mehr Geld und viel mehr Daten als die Universitäten. Zusammen können Hochschulen, Forschungsinstitute und Firmen in die Lage versetzt werden, eine gewisse Autonomie bei der Nutzung von KI-Infrastrukturen zu erreichen, in denen Rechenleistung, Speicher und Werkzeuge bereitgestellt werden. Dazu muss über öffentlich-private Partnerschaften nachgedacht werden. So kann eine ausgewogenen öffentliche-private Sicherung der deutschen Wettbewerbsfähigkeit in der KI erreicht werden“, sagt Kersting.

KI als Basis für neue Geschäftsmodelle

Künstliche Intelligenz ist als Basis für neue digitale Geschäftsmodelle in der Automobilindustrie kaum zu unterschätzen. Das gilt vor allem für das autonome Fahren und den damit verbundenen Eintritt in ein Plattform-Geschäftsmodell, aber auch für softwaregetriebene Services, die auch nachträglich Over-the-Air in die Autos gelangen und als Subscription oder On-Demand abgerechnet werden können. Beispiele wären:

  • Freischaltung von Fahrassistenzsystemen oder FSD-Funktionen
  • Freischaltung höherer Leistung / höherer Batteriekapazität (Reichweite)
  • Individuelle Berechung der Versicherungsprämie aufgrund der gefahrenen Kilometer und der Fahrweise, die eventuell abhängig von den zugeschalteten Sicherheitsfeatures ist. Zu berücksichtigen ist dabei die Frage, wie stark diese Features wie die Emergency Brake von Tesla tatsächlich Unfälle ganz verhindern oder deren Folgen entschärfen.
  • Ein Patentantrag von Apple bestätigt nicht nur das Ziel, ein vollkommen autonom fahrendes Auto zu bauen, sondern dem Insassen statt des Blicks aus dem Fenster eine Virtual-Reality-Erfahrung zu liefern. Auf den Bildschirmen sollen neben Umgebungsbildern (um der Übelkeit vorzubeugen) auch Filme oder Bücher gezeigt werden.

Mobilitätsplattformen

Wenn KI autonomes Fahren (Level 4/5) ermöglicht, werden Mobilitätsplattformen wie Uber, Lyft oder Didi Chuxing auf die nächste Stufe gehoben – und viel Konkurrenz erhalten. Denn die Zahl der Konsortien, die gerade autonome Autos/Flotten entwickeln, wächst stetig an:

  • Waymo / Geely
    Die Google-Tochter Waymo liefert die KI, die Geely-Marke Zeekr baut die Autos. Die ersten gemeinsamen Fahrzeuge sollen im kommenden Jahr in den USA auf die Straßen, wo bisher nur die autonome Taxiflotte Waymo One in Phoenix unterwegs ist.
  • Cruise
    Die GM-Tochter betreibt bereits einige autonome Flotten in den USA, unter anderem in San Francisco.
  • Mobileye
    Die Intel-Tochter liefert ihre Software an Unternehmen wie Sixt, um gemeinsam autonome Flotten aufzubauen. Im München soll der Start bis Ende des Jahres erfolgen. Die Autos stammen von Nio. Allerdings will Mobileye auch eigene Flotten aufbauen.
  • Zoox
    Die Amazon-Tochter setzt auf komplett neu konzipierte Fahrzeuge, die nur noch wenig mit einem klassischen Auto zu tun haben. Das Fahrzeug kann in beide Richtungen fahren und soll nicht nur einen autonomen Taxidienst ermöglichen, sondern sicher auch die Amazon-Pakete eines Tages ausliefern. Dafür fehlt aber noch eine Lösung für die letzte Meile vom Fahrzeug ins Haus.
  • Baidu
    Die chinesische Suchmaschine gehört mit ihrer Apollo-Plattform zu den führenden Unternehmen in der Branche und hat inzwischen die ersten autonomen Flotten in chinesischen Städten ohne Sicherheitsfahrer auf den Straßen. Der neue Apollo RT6 hat 32 Millionen Testkilometer abgespult und ist vergleichbar mit einem Autofahrer mit 20 Jahren Erfahrung, erklärt Baidu. ⇢ CarScoops
  • Pony.AI
    Das Startup wurde in der jüngsten Finanzierungsrunde mit 8,5 Mrd. Dollar bewertet und wird von Toyota unterstützt. Pony.AI gehört mit Baidu zu den ambitioniertesten Playern aus China.
  • Volkswagen / Europcar
    VW will aus dem Autovermieter eine Mobilitätsplattform bauen, die im ersten Schritt Autovermietung, Mitfahrdienste und Car-Sharing umfasst. Konkurrenten sind hier Sixt und die Now-Gruppe, die an Stellantis verkauft wurde.
  • Uber hat seine eigenen Anstrengungen eingestellt, autonome Autos selbst zu entwickeln. Statt dessen kooperiert Uber nun mit Waymo, zunächst für autonome Lieferungen von Uber Eats.
  • Lyft hat seine Sparte für autonomes Fahren 2021 an Toyota verkauft und plant nun eine hybrides Netzwerk aus menschlichen und autonomen Fahrern. Die Technik dafür kommt von Ford/Argo.AI.

Tesla Optimus

Tesla wäre nicht Tesla, wenn das Unternehmen mit der KI nicht noch weitere Pläne hätte. Der humanoide Roboter Optimus, den Tesla in Kürze auf die Menschheit loslassen will, liefert ebenfalls Videos, die von Dojo verarbeitet werden, um Optimus lernfähig zu machen. Tesla-Chef Elon Musk will einen Prototypen bis Ende des dritten Quartals fertig haben. „Optimus wird in der Lage sein, alles zu tun, worauf Menschen keine Lust haben. Er wird es einfach tun“, kündigte Musk an.

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