Softwareentwickler nutzen ChatGPT am häufigsten, Finanzberater am seltensten

Ein gutes Jahr nach dem Start nutzen bis zu 79 Prozent der Menschen einer Berufsgruppe diese Technologie schon, erzielen dabei eine Zeitersparnis bis zu 43 Prozent, setzen sie trotz der Vorteile aber trotzdem nicht ein.

Generative KI ist eine der seltenen Basistechnologien, die mächtig genug sind, das Wachstum und die Produktivität der Volkswirtschaften anzuheben – wenn sie auch entsprechend breit eingesetzt werden. Forscher der Universität Chicago haben daher den Einsatz von ChatGPT als prominentester Anwendung der generativen KI in einem digital aufgeschlossenen Land ermittelt, das mit Rang 4 in der Rangliste der digitalen Wettbewerbsfähigkeit und der digitalen Fähigkeiten der Bevölkerung zu den Vorreitern in der Welt gehört. Das Land ist Dänemark.

Die Forscher haben 100.000 Dänen in elf verschiedenen Berufen zu ihrem Einsatz von ChatGPT befragt. Danach setzen bis zu 79 Prozent der Menschen einer Berufsgruppe die neue KI schon ein und erreichen dabei eine Zeitersparnis bis zu 43 Prozent. Besonders auffällig: Frauen nutzen ChatGPT um etwa 20 Prozentpunkte seltener als Männer und der KI-Einsatz geht mit jedem Lebensjahr um einen Prozentpunkt zurück.

ChatGPT-Einsatz bei Softwareentwicklern am höchsten

Die Hälfte der Arbeitnehmer hat die Technologie verwendet, wobei die Adoptionsraten von 79 Prozent bei Softwareentwicklern bis zu 34 Prozent bei Finanzberatern reichen. Dass die Softwareentwickler an der Spitze stehen, ist keine Überraschung. Thomas Dohmke, der CEO der weltgrößten Entwicklerplattform Github, erwartet einen Produktivitätsschub von 30 bis 50 Prozent für Entwickler. Kaum jemand, der auf Dauer in der Branche bleiben möchte, wird sich diese Hilfe entgehen lassen.

Ähnlich hoch ist die Nutzungsquote auch unter den Journalisten. Die KI kann ihnen helfen, Informationen schneller zu finden, große Datenmengen zu durchforsten, Texte zusammenzufassen und sogar ein ganzes Lektorat zu ersetzen.

Vergleichsweise gering ist die Nutzungsquote unter den Juristen, Lehrern, Buchhaltern und Wirtschaftsprüfern sowie den Finanzberatern. Das liegt nicht an zu geringen Zeitspareffekten, sondern meist an regulatorischen Hürden, denn niemand möchte sensible Kundendaten bei ChatGPT hochladen. Daher haben viele Arbeitgeber die Nutzung eingeschränkt oder ganz verboten. Allerdings ist dieses Problem lösbar – und das wird auch gemacht: Eigene KI-Anwendungen, die ausschließlich eigene Daten in einer sicheren Umgebung verarbeiten, ohne auf die Vorteile der großen Sprachmodelle zu verzichten, sind kein Hexenwerk, brauchen aber Zeit. Da viele Unternehmen diese sicheren Systeme zurzeit erst implementieren, könnte diese Hürde also bald überwunden sein.

Fehlendes Wissen ist die größte Hürde für ChatGPT

Unter den Arbeitnehmern, die glauben, dass ChatGPT ihre Zeit für eine Arbeitsaufgabe halbieren kann, beabsichtigen etwa 50 bis 60 Prozent, die KI nicht zu verwenden. Diese „Adoptionshemmnisse“ deuten auf große ungenutzte Produktivitätsgewinne durch ChatGPT hin. Was hindert die Arbeitnehmer daran, potenzielle Gewinne in tatsächliche Adoption umzuwandeln? Die wichtigsten Hemmnisse beziehen sich auf Unternehmensrichtlinien:

  • 43 Prozent der Arbeitnehmer berichten, dass sie zuerst eine Schulung benötigen, um ChatGPT zu nutzen.
  • 35 Prozent geben an, dass Arbeitgeber ihre Nutzung aktiv einschränken.
  • „Existenzängste“, im Job überflüssig zu werden oder von der Technologie abhängig zu werden, sind die am wenigsten wichtigen Adoptionshemmnisse.

Das nicht vorhandene Wissen und damit die fehlenden Schulungen wurden vor allen von Lehrern, Buchhaltern und Wirtschaftsprüfern sowie Journalisten als bedeutendster Hinderungsgrund angegeben. Die KI umfasst zwar große Teile des Wissens der Welt, aber die richtige Bedienung („Prompt Engineering“) als Kulturtechnik des 21. Jahrhunderts ist noch nicht weit verbreitet. Clevere Unternehmen stellen ihren Beschäftigten also nicht nur die Instrumente zur Verfügung, sondern bieten auch die passende Weiterbildung an.

Diese Schulung ihrer Beschäftigten ist aktuell die wohl wichtigste Aufgabe des Managements bei der KI-Einführung, denn erst wenn die Menschen die Vorteile sehen und sich sicher fühlen, nutzen sie die Technik auch. Deutschland liegt hier schon wieder zurück: Aktuell fühlt sich nur jeder vierte Bürobeschäftigte (23,9 Prozent) in Deutschland gut über generative KI informiert. Bei den Industriebeschäftigten ist der Anteil mit 18,5 Prozent noch geringer und liegt auch unter den Ergebnissen in der Gesamtbevölkerung (21,3 Prozent), in der mehr als die Hälfte (54,7 Prozent) der Befragten explizit schlechte Kenntnisse angaben, zeigt eine Microsoft-Umfrage unter 9000 Menschen in Deutschland. Bei einem internationalen Konzern, der die Nutzung des weltweit ausgerollten Microsoft-Copiloten misst, erreichten die deutschen Beschäftigten ebenfalls nur hintere Plätze.

Die relevanten Hemmnisse unterscheiden sich auch nach Berufen. Arbeitgeberbeschränkungen sind wahrscheinlicher in Berufen wie Finanzberater und Rechtsanwälte, die sensible Informationen verarbeiten. Kundendienstmitarbeiter meiden ChatGPT aus Angst, ersetzt zu werden oder von der Technologie abhängig zu werden. Schließlich leisten Arbeitnehmer in Berufen, in denen Schreiben – wie im Journalismus oder in der Lehre – eine Kernkompetenz ist, Widerstand gegen ChatGPT, weil es ihre Freude an der Arbeit mindert.

Frauen nutzen ChatGPT deutlich seltener als Männer

Was in Deutschland zu ahnen ist, zeigt sich in Dänemark sehr deutlich: Frauen nutzen die neue Technik signifikant seltener als Männer – und zwar in allen Berufen. Im Durchschnitt beträgt der Abstand 20 Prozentpunkte. Diese Geschlechterkluft besteht auch unter Kollegen am gleichen Arbeitsplatz und wird nicht durch die spezifische Aufgabenmischung der Arbeitnehmer erklärt. Viele Frauen zeigten sich unsicher im Umgang mit der Technik und ließen lieber die Finger davon – eine Zurückhaltung, die den Männern eher fremd war.

Jüngere und Höherqualifizierte sind intensive Nutzer

Dass jüngere Menschen die Technik intensiver einsetzen als ihre älteren Kollegen, ist mit geringeren Berührungsängsten gegenüber digitaler Technik zu erklären. Mit jedem weiteren Lebensjahr sinkt die Wahrscheinlichkeit des ChatGPT-Einsatzes um etwa 1 Prozent. Auch hier könnten spezielle Schulungsprogramme für die Älteren helfen, die Altershürde zu senken.

Die Nutzungsintensitäten hängen auch von der Qualifikation ab: Je höher die Bildung/Qualifikation, desto intensiver setzen die Menschen ChatGPT ein.

Diese Forschungsergebnisse legen nahe, dass Unternehmen eine entscheidende Rolle bei der weiteren Förderung der Nutzung von Tools wie ChatGPT spielen könnten und dass ein vorausschauender Ansatz zur Förderung der Adoption von ChatGPT einige besorgniserregende Trends mildern könnte. Beispielsweise deutet die Tatsache, dass Arbeitnehmer, die derzeit ChatGPT nutzen, bereits vor dessen Einführung mehr verdienten, darauf hin, dass weniger erfahrene Arbeiter weiterführende Unterstützung benötigen könnten, um die Vorteile von generativer KI voll auszuschöpfen. Ebenso könnte die Bereitstellung weiterer Schulungen für Frauen die aufgedeckte Geschlechterlücke verringern.