Handwerk digital: Wie Thermondo den Heizungsmarkt aufmischt
Die Digitalisierung erfasst nun auch das Handwerk. Thermondo baut Heizungen ein – und beschäftigt dafür 135 Installateure. Der nächste große Schritt für das Berliner Unternehmen sind Solaranlagen für Privathaushalte.
Noch immer ist der Spruch „Digitalisierung betrifft mein Business nicht“ in Deutschland weit verbreitet. Nun kann eine weitere große Branche den Satz aus ihrem Vokabular streichen: Den 12 Milliarden Euro schweren Markt für private Heizungsinstallationen wird gerade vo Berliner Startup Thermondo aufgemischt. „Wir sind nicht nur der mit Abstand größte Heizungsbauer im Konsumentenmarkt in Deutschland. Wir wachsen auch am schnellsten“, sagt Philipp Pausder, der das Unternehmen mit Kristofer Fichtner und Florian Tetzlaff gegründet hat. 100 Prozent Umsatzzuwachs habe Thermondo im vergangenen Jahr erzielt. 2017 soll dieser Wert wieder erreicht werden. Das reicht, um die etablierte Konkurrenz aufzuschrecken. „RWE verkauft jetzt auch Heizungen, was früher undenkbar war. Sämtliche Tabus werden jetzt gebrochen“, hat Pausder beobachtet.
„Lieferhärte wie Amazon“
Thermondo setzt nicht auf das Plattform-Modell, das in der Digitalbranche so beliebt ist, sondern macht sich tatsächlich die Hände schmutzig: Die aktuell 135 Installateure, die Heizungen überall in Deutschland montieren, sind fest bei dem Berliner Unternehmen angestellt. Digital sind die Dienstleistungen im Vorfeld. „ Wir haben Planung und Verkauf zu 100 Prozent digitalisiert. Da wir genau planen, benötigen unsere Handwerker kein Lager. Das spart Geld und wir können schneller wachsen. Wir bringen eine Lieferhärte wie Amazon in eine Industrie, die das bisher nicht kannte“, hofft Pausder.
Unnötige Fahrten von der Baustelle zum Großhandel oder Baumarkt, um schnell noch fehlende Teile zu besorgen, entfallen weitgehend. „Handwerker müssen bei uns auch keinen Papierkram erledigen und können sich ganz auf die Installation der Heizungen konzentrieren. Daher erwirtschaftet ein Handwerker bei Thermondo im Durchschnitt 280000 Euro Umsatz im Jahr – der Vergleichswert im Markt liegt bei 115000 Euro“, sagt Pausder.
Nächster Markt: Photovoltaik
Thermondo ist damit der erste bundesweite digitale Handwerksbetrieb, der alle Arbeiten aus einer Hand erledigt. Das Modell findet inzwischen Nachahmer. „Wir sind der Pionier für den Handwerksmarkt. Es gibt inzwischen Stegimondo für das Dach, Weissmaler für Malerarbeiten sowie Vitraum und Ventoro für Türen und Fenster. Diese Segmente interessieren uns aber nicht. Uns interessiert nur Energie“, erklärt Pausder, der im vergangenen Jahr 23,5 Millionen Euro Risikokapital eingesammelt hat. Damit will er hoch hinaus: Nach der Heizung will er auch die Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern der Deutschen montieren. Dieses Geschäft bundesweit aufzubauen ist seine Top-Priorität in diesem Jahr.
Wegen der Energiewende erlebe Deutschland eine komplette Architekturveränderung der Energielandschaft. Statt in wenigen großen Atom- oder Kohlekraftwerken werde der Strom künftig beim Verbraucher auf dem Dach produziert. „In den kommenden 15 Jahren werden fast alle Ein- und Zweifamilienhäuser eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach haben. Langfristig wird Strom zu Grenzkosten von Null produziert“, prognostiziert Pausder. Alle Energieversorger drängen heute in den Markt. „Aber alle Anbieter werden bald feststellen, dass sie keine vernünftige Qualität erreichen, wenn sie sich nicht vertikal integrieren, also die Handwerksleistung nicht mit anbieten“, ist sich Pausder sicher.
Die Energie-Startups greifen an
Die Energiewende zieht inzwischen reihenweise Startups wie Tado, Kiwigrid, Next Kraftwerke oder die Sonnen GmbH an, die in Deutschland auf geschwächte Energiekonzerne treffen, deren Priorität zudem noch auf dem weiterhin lukrativen Netzgeschäft liegt. „Auf der E-World wird immer noch gefeiert, als wäre die Welt der Energie noch in Ordnung“, sagt Pausder. Gleichzeitig haben aber schon sieben deutsche Cleantech-Unternehmen den Sprung auf die Liste der Top-100 Unternehmen der Branche geschafft. Neben Thermondo sind dort inzwischen Kiwigrid, Mobisol, Skele+On, Sonnen, Sunfire und Tado aufgeführt.
Thermondo investiert nun erstmals in Fernsehwerbung, um eine bundesweite Marke aufzubauen. Dabei ist das Unternehmen nicht billiger als die lokalen Handwerker; die etwa 40 Prozent Preisnachlass, die der Großhandel den Installateuren normalerweise gewährt, streicht auch Thermondo ein. „Wir bieten aber den besseren Service“, verspricht Pausder. Dazu gehört ein Angebot, das immer dem späteren Preis entspricht, ohne das Haus zuvor gesehen zu haben. Unliebsame Überraschungen beim Rechnungseingang sind für die Kunden somit ausgeschlossen. „Das Risiko liegt bei uns. Das ist der wichtigste Grund, warum sich Kunden für uns entscheiden“, erklärt der ehemalige Basketball-Profi. Der zweitwichtigste Grund: Thermondo hilft seinen Kunden, die staatlichen Förderprogramme zu nutzen, die 15 Prozent Zuschuss bringen. „Wir füllen die Anträge, zum Beispiel bei der KfW-Bank, gleich aus. Der Kunde muss nur noch unterschreiben. 55 Prozent unserer Kunden nehmen eine Förderung in Anspruch.“
Rein digital geht auch nicht
Rein digital geht es allerdings auch nicht. In diesem Jahr soll daher der Außerdienst stärker werden. „Vertrieb im Internet hat gut funktioniert, aber die nächste Wachstumsphase muss vom Außendienst getrieben werden. Wenn wir das Sales-Team etabliert haben, können wir natürlich auch andere Produkte viel leichter verkaufen“. Dazu gehören Strom und Gas oder auch Geräte für das Smart Home, die sich bisher nicht durchgesetzt haben, weil die meisten Haushalte den Installationsaufwand scheuen.
Ein weiterer Wachstumsmarkt ist das Thema Smart Home. „Hier stehen wir aber noch am Anfang. Wir verkaufen die Systeme der Anbieter; mehr aber noch nicht“. Auch den Verkauf von Strom und Gas kann sich Pausder gut vorstellen, denn mit einer gewachsenen Kundenbeziehung fällt das Upselling leicht.
Wachstumsschmerzen kennt allerdings auch Thermondo. Die Verwaltung ist im Vergleich zur Zahl der Installateure zu stark besetzt. In diesem Jahr soll das Verhältnis angepasst werden, zumal Profitabilität bestenfalls auf Monatsbasis erreicht wird.