Deutschland ist nur Mittelmaß in der Digitalisierung
Im internationalen Vergleich der digitalen Transformation erreicht Deutschland nur Rang 17, haben Acatech und BDI in ihrem erstmals errechneten Digitalisierungsindex herausgefunden. Großen Nachholbedarf sehen sie in der digitalen Wirtschaft und der Plattformökonomie. Besonders schlecht sind Deutschlands Breitbandversorgung und das E-Government.
Im erstmals von Acatech und BDI erhobenen Digitalisierungsindikator erreicht Deutschland im internationalen Vergleich nur Rang 17 – weit hinter anderen entwickelten Ländern wie den USA oder Großbritannien. Neben der beinahe obligatorisch schlechten Breitbandversorgung und dem kaum vorankommenden E-Government sind vor allem Aspekte aus der digitalen Ökonomie für das schlechte Abschneiden verantwortlich. In den Kriterien „Wirtschaft“ und „Geschäftsmodelle“ erreicht Deutschland nur jeweils Rang 15. „Gerade bei den kleinen Unternehmen und in den wenig technologieintensiven Branchen ist die Durchdringung mit digitalen Anwendungen gering“, lautet ein Fazit. Und auch das deutsche Vorzeigeprojekt „Industrie 4.0“ schneidet nicht besonders gut ab. Im Bericht heißt es:
„Die Informationalisierung von Produktionsprozessen ist keineswegs so intensiv, wie es die Intensität der öffentlichen Diskussion über Industrie 4.0 vermuten lassen würde.“
Die Experten von Acatech und BDI kommen in ihrem Gutachten zu dem Schluss, dass Software, digitale Technologien und neue Geschäftsmodelle zu oft als Kostentreiber und zu selten als Chancen für eine aussichtsreiche Positionierung im Wettbewerb gesehen werden. Gerade in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bestünden noch große Defizite, da sie die Bedeutung der Veränderungen durch die Digitalisierung unterschätzten.
Einen Schwerpunkt legt der Bericht auf die Plattformökonomie.
„In der Plattformökonomie kommt es zu einer Verschiebung der Wertschöpfungsanteile, die weg von Produkten hin zu Dienstleistungen als zentrale Wettbewerbsfaktoren führt. Daneben tritt ein neuer entscheidender Produktionsfaktor auf: Daten. Die primären Leistungsmerkmale vieler traditioneller physischer Produkte, die über Markterfolg oder -misserfolg entschieden haben, sind technische Eigenschaften, Design, Haltbarkeit, Bedienungsfreundlichkeit, Wirtschaftlichkeit. In einer Plattformökonomie entsteht der Mehrwert durch die Verbindung von Produkten, Dienstleistungen und digitalen Prozessen auf Basis nutzerspezifischer Daten.“
Großer Nachholbedarf in der Plattformökonomie
Zwar seien auch in Deutschland immer wieder erfolgreich Plattformen gegründet worden und eine große Zahl von Startups befasse sich mit Plattformlösungen. Doch die großen Player (Google, Amazon, Facebook, Alibaba, Tencent, Baidu, Priceline…) weltweit kämen aus den USA und China. Gute Voraussetzungen, um eine starke Stellung in der Plattformökonomie einzunehmen, bestehen für Deutschland jedoch in den industriellen Kernbranchen des Automobil- und Maschinenbaus sowie in der Logistik, meinen die Autoren. Hier verfügten viele Unternehmen über integrierte Wertschöpfungsketten, die die Basis für digitale Ökosysteme bilden können, in denen deutsche Unternehmen als Plattformbetreiber die künftige Entwicklung wesentlich gestalten können. „Dabei kommt es aber auf Geschwindigkeit an, denn es besteht die Gefahr, dass branchenfremde Wettbewerber möglicherweise schneller digitale Plattformen im Markt etablieren können“, mahnen Acatech und BDI.
Mit der Entstehung einer Plattformökonomie in diesen Branchen könnten bisherige Kernkompetenzen etwa im Maschinenbau obsolet oder die Unternehmen in eine Zulieferposition mit sinkenden Wertschöpfungsanteilen abgedrängt werden. Die größten Herausforderungen werden in den folgenden drei Bereichen gesehen:
- Generell ist ein stärkeres Denken in Geschäftsmodellen notwendig. Hier liegen die deutschen Unternehmen nach Experteneinschätzung deutlich hinter den USA, aber auch den ostasiatischen Ländern. Statt vom Produkt und seinen technischen Eigenschaften auszugehen, müssen Geschäftsmodelle von den Kundenbedürfnissen her entwickelt werden. Dabei sind an allen Stellen die Möglichkeiten von Smart Services zu berücksichtigen, um so Kundenbindung zu stärken, Produktdifferenzierung voranzutreiben, aber auch um Effizienzgewinne und Zugang zu neuen Märkten zu realisieren.
- Auf der technologischen Seite ist zum einen die Integration digitaler Technologien wie künstliche Intelligenz, Big Data und Smart Data, maschinelles Lernen, autonome Systeme und IT-Sicherheit voranzutreiben. Hierfür muss insbesondere in entsprechende digitale Fähigkeiten der Mitarbeiter investiert werden. Gleichzeitig muss aber eine rein technologiezentrierte Denkweise vermieden werden. Im Mittelpunkt müssen auch hier der Kundennutzen und die Realisierung von Smart Services stehen.
- Bei den strategischen und organisatorischen Fähigkeiten, die für die Nutzung der Chancen einer Plattformökonomie erforderlich sind, sind die Unternehmen des Automobil- und Maschinenbaus nach Expertenmeinung dagegen bereits gut aufgestellt. Sie sollten in der Lage sein, die Herausforderungen der Plattformökonomie zu bewältigen. Die größten Chancen werden deutschen Unternehmen dabei im B2B-Bereich zugesprochen. Defizite werden aber in der Logistik gesehen.
Wie die digitale Transformation gelingen kann, haben Prof. Tobias Kollmann und ich in unserem Buch „Deutschland 4.0“ aufgeschrieben.