Deutschland ist 2022 kaum digitaler geworden
Während Energie und Nachhaltigkeit in den Vordergrund gerückt sind, hat die Digitalisierung an Schwung verloren. In dieser wirtschaftlich schwierigen Zeit haben die Unternehmen viele strategische Digitalprojekte, die keinen schnellen ROI versprechen, verschoben oder gestrichen. In diesem Jahr sind somit weder die deutsche Wirtschaft noch der Staat spürbar digitaler geworden.

Die Wirtschaft in Deutschland ist 2022 im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig digitaler geworden. Der deutschlandweite Indexwert erreicht 108,9 Punkte in diesem Jahr, nach 107,9 Punkten im Jahr 2021 und den normierten 100 Punkten im Jahr 2020. Nach dem starken Anstieg im Jahr 2021 kann daher in diesem Jahr von einer Stagnation der Digitalisierung gesprochen werden, schreibt das IW Koeln in seinem neuen Digitalisierungsindex. Da die Digitalisierung aber nicht auf Deutschland wartet, ist unsere digitale Wettbewerbsfähigkeit in diesem Jahr abermals um einen Platz auf Rang 19 im IMD-Ranking gefallen.
Kaum Fortschritt bei digitalen Produkten und Geschäftsmodellen
In diesem Jahr hat die deutsche Wirtschaft vor allem ihre Prozesse digitaler aufstellt, aber ihre Produkte oder Geschäftsmodelle nicht weiter digitalisiert. In der Kategorie Produkte gehen sowohl der Indikator der rein digitalen Produkte als auch der Indikator der Produkte mit digitalen Komponenten zurück. Die Geschäftsmodelle werden nur geringfügig digitaler. Der 2021 konstatierte oberflächliche Digitalisierungsschub durch die Coronapandemie scheint sich auch in deren Verlauf nicht auf die Produkte und Geschäftsmodelle der Unternehmen ausgeweitet zu haben. Aufgrund der Konfluenz verschiedener Krisen, darunter die Folgen des Ukraine-Krieges, die Lieferkettenschwierigkeiten, die Preisentwicklung und die Energiekrise, scheinen viele Unternehmen im Bereich Digitalisierung keine großen Schritte zu machen oder entsprechende Projekte (vorübergehend) zurückzustellen.
Bevölkerung wird digital affiner
Den stärksten absoluten Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2021 verzeichnet die unternehmensexterne Kategorie Gesellschaft. Sie bildet ab, wie digitalaffin die Bevölkerung ist und inwiefern sie digitale Produkte und Dienstleistungen nutzt. Die unternehmensexterne Kategorie mit dem höchsten Wert ist jedoch die technische Infrastruktur. Sie legt um weitere 6,5 Punkte zu und erreicht insgesamt 122,9
Fachkräftelücke wird größer
Der Rückgang in der Kategorie Humankapital hat vor allem die sich vergrößernde Fachkräftelücke in Digitalisierungsberufen als Ursache. Im Betrachtungszeitraum für den Index 2021 war diese coronabedingt noch geschrumpft und hatte für einen Punkteanstieg gesorgt. Nun nähert sie sich langsam wieder dem Vorkrisenniveau an.
Weniger Innovation
Der Rückgang in der Kategorie Innovationslandschaft hängt vor allem mit einem sinkenden Anteil digitaler Start-ups zusammen. Aber auch die digitalisierungsaffinen Patente natürlicher Personen nehmen deutlich ab.
IKT vorne, prodizierendes Gewerbe am Ende
Die best- und schlechtplatziertesten Branchen haben sich in den drei Erhebungsjahren in den einzelnen Kategorien des Index kaum verändert. Die IKT-Branche bleibt wie auch in den Jahren 2021 und 2020 in allen Kategorien Spitzenreiter mit Ausnahme der Forschungs- und Innovationstätigkeiten, die der Fahrzeugbau nach wie vor mit großem Abstand für sich behaupten kann. Der Tourismus ist nach den Jahren 2020 und 2021 auch im Jahr 2022 weiterhin Schlusslicht bei Qualifizierung sowie Forschungs- und Innovationsaktivitäten.
Verkehr und Logistik bilden wie auch in den Vorjahren das Schlusslicht in der Kategorie Innovationslandschaft. Grundstoffe, Chemie und Pharma schneiden wieder am schlechtesten bei den Geschäftsmodellen ab. Das Sonstige Produzierende Gewerbe hat weiterhin den schlechtesten Wert der Kategorie Prozesse. Diese Branchengruppe war außerdem in den Vorjahren Schlusslicht bei den Produkten. Im Jahr 2022 erzielt jedoch der Handel bei den Produkten den schlechtesten Wert.
â–·Â IW Koeln