Wie generative KI die Arbeit und die Geschäftsmodelle der Juristen verändert
Juristen integrieren generative KI zunehmend in ihre tägliche Arbeit – und werden immer produktiver. Auf Stundenbasis abzurechnen, lohnt sich für viele Kanzleien nicht mehr.

Die juristische Welt galt lange als Bollwerk gegen technologische Disruptionen. Doch seit der Einführung generativer KI-Modelle wie ChatGPT, Harvey oder Noxtua zeichnet sich ein tiefgreifender Wandel ab. In Kanzleien und Rechtsabteilungen wird sie vor allem eingesetzt für Dokumentenprüfungen, juristische Recherchen, Zusammenfassungen komplexer Schriftsätze, die Erstellung von Vertragsentwürfen sowie die Beantwortung spezifischer Rechtsfragen.
Generative KI wird nicht als kurzfristige Modeerscheinung, sondern als ein fundamentaler Treiber des Wandels im Rechtswesen betrachtet. Viele Kanzleien denken darüber nach, ihre Prozesse, Preisstrukturen und Organisationsmodelle anzupassen, um die Effizienzgewinne zu nutzen, ohne ihre Profitabilität zu gefährden.
In Studien des Thomson Reuters Institute und des Bucerius Center on the Legal Profession wurde nun untersucht, wie stark sich die Nutzungsmuster, Einstellungen und Geschäftsmodelle der Branche bereits verschoben haben. Laut der Thomson-Reuters-Studie nutzen 77 Prozent der Juristen in Kanzleien KI-Tools für die Überprüfung von Dokumenten, 74 Prozent für die Recherche und 74 Prozent für die Zusammenfassung von Dokumenten.
Auch in der öffentlichen Verwaltung haben sich solche Anwendungen etabliert. Die meisten Juristen greifen dabei nicht nur auf frei verfügbare Tools wie ChatGPT zurück, sondern zunehmend auch auf branchenspezifische Lösungen, die speziell auf juristische Inhalte trainiert sind. In Deutschland hat sich der führende Fachverlag C. H. Beck gerade an der Berliner KI-Lösung Noxtua beteiligt, um den „Arbeitsplatz der Zukunft“ für die juristischen Berufe in Kanzleien und Rechtsabteilungen der Unternehmen zu entwickeln.
Vorteile aus Sicht der Juristen
Der Blick auf die Technologie hat sich innerhalb eines Jahres spürbar verändert. Während 2024 noch große Skepsis herrschte, überwiegt heute eine optimistische Grundstimmung. 55 Prozent der Befragten geben an, gegenüber generativer KI „aufgeregt“ oder „hoffnungsvoll“ zu sein. Die größten Vorteile sehen Juristen in der erheblichen Zeitersparnis, der Steigerung der Effizienz und der Verbesserung der Qualität und Genauigkeit ihrer Arbeit. Generative KI übernimmt insbesondere Routineaufgaben, sodass Juristen sich stärker auf hochqualifizierte, beratungsintensive Tätigkeiten konzentrieren können. Hinzu kommen neue Möglichkeiten der Innovation, etwa bei der Entwicklung von KI-gestützten Beratungsprodukten oder automatisierten Compliance-Checks.
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Die anfängliche Zurückhaltung gegenüber generativer KI hat sich deutlich abgeschwächt. Die Zahl der Juristen, die KI mit Skepsis, Sorge oder Angst betrachteten, ist binnen eines Jahres um elf Prozentpunkte gesunken. Immer mehr Juristen begreifen die Technologie als Chance, nicht als Bedrohung.
Gleichzeitig hat sich auch die institutionelle Haltung verändert: Fast alle großen Kanzleien investieren heute gezielt in KI-Teams, externe Partnerschaften mit Softwareanbietern und in die Ausbildung ihrer Mitarbeiter im Umgang mit generativer KI. Die Erkenntnis setzt sich durch, dass Nichtstun langfristig mit höheren Risiken verbunden ist, als frühe Experimente es sind.
Alternative Abrechnungsmodelle auf dem Vormarsch
Die Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle von Kanzleien sind tiefgreifend. Nach Einschätzung der Bucerius-Studie wird die klassische Kanzleiökonomie – geprägt von individueller Beratung und Abrechnung nach Zeitaufwand – zunehmend durch hybride Modelle ergänzt. Zwei Entwicklungen sind dabei besonders relevant:
- Erstens steigert generative KI die Effizienz in vielen Bereichen erheblich. Je nach Arbeitsfeld und Aufgabenart erwarten Juristen Effizienzgewinne zwischen zehn und 30 Prozent. Besonders betroffen sind arbeitsintensive Bereiche wie Due Diligence, Vertragsprüfungen oder Dokumentenanalyse.
- Zweitens entstehen neue Produktformen: Standardisierte, KI-gestützte Rechtsdienstleistungen lassen sich leichter skalieren und ermöglichen den Zugang zu Mandanten, die klassische Beratung bisher aus Kostengründen mieden.
Die Abrechnung nach Zeit ist das traditionelle Fundament der Kanzleiökonomie. Doch dieser Ansatz gerät zunehmend unter Druck. Schon heute erwirtschaften Kanzleien etwa 20 Prozent ihrer Umsätze über alternative Preismodelle. Viele der befragten Managing Partner erwarten, dass dieser Anteil deutlich steigen wird. Dabei könnten gleich mehrere neue Preismodelle an Bedeutung gewinnen:
- Festpreise für standardisierte Dienstleistungen wie Vertragsprüfungen oder Compliance-Checks.
- Technologiezuschläge, um gestiegene IT-Kosten auf Mandaten umzulegen.
- Abonnementmodelle, bei denen Mandanten für eine bestimmte Anzahl von Leistungen monatliche Pauschalen zahlen.
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Bemerkenswert ist: Diese Preismodelle setzen nicht nur auf Effizienz, sondern auf den wahrgenommenen Wert für den Mandanten. Je komplexer, dringender oder wirtschaftlich relevanter ein Fall ist, desto höher kann der Preis ausfallen – unabhängig von der investierten Arbeitszeit. Insofern erwarten viele Befragte steigende Stundensätze.
Die neuen Modelle der Juristen
Anstelle eines einheitlichen Geschäftsmodells werden sich künftig differenzierte Angebotsformen etablieren, angepasst an die jeweilige Art der juristischen Dienstleistung:
- Für komplexe, individuelle Beratungsmandate bleiben individuelle Abrechnungen üblich, ergänzt um moderate Technologiezuschläge.
- Für standardisierte Aufgaben entstehen Paketlösungen zu Festpreisen, etwa für bestimmte Due-Diligence-Prüfungen oder Vertragsanalysen.
- Für wiederkehrende Aufgaben etablieren sich Abo-Modelle, bei denen Unternehmen für eine definierte Zahl von Rechtsfragen oder Dokumenten pauschal zahlen.
- Für neue KI-gestützte Produkte – etwa Compliance-Plattformen – entwickeln Kanzleien eigenständige digitale Geschäftsmodelle.