KI löst Produktivitätsschub aus, wenn wir klug in Bildung investieren

Eine neue Studie der US-Nationalakademien zeigt, wie KI in den kommenden Jahren die Produktivität in die Höhe treiben und als Innovationsmotor wirken könnte. Anstatt Jobs zu vernichten, eröffnen sich vielfältige Chancen für neue Berufe – sofern Bildung und Weiterbildung mithalten.

Nach der Einführung von ChatGPT im November 2022 ist das Interesse an den Auswirkungen künstlicher Intelligenz auf die Arbeitswelt explodiert. Politiker, Unternehmen und die Öffentlichkeit debattieren gleichermaßen über Automatisierung, Produktivität und mögliche Jobverluste. Vor diesem Hintergrund hat ein Expertengremium der National Academies of Sciences, Engineering, and Medicine in den USA die Fakten zusammengetragen und ein optimistisches Fazit gezogen: KI hat das Zeug, als Allzwecktechnologie (General Purpose Technology) zum Treiber von Wirtschaftswachstum, neuen Berufsbildern und Bildungsinnovationen zu werden. Allerdings betonen die Fachleute, dass der positive Effekt nicht automatisch eintritt – es braucht kluge Investitionen in Fähigkeiten, Organisationen und Bildung.

Innovation gilt seit jeher als Schlüssel zu Wohlstand: Produktivitätswachstum – also mehr Output pro Arbeitsstunde – ist der wichtigste Faktor für steigende Lebensstandards. Historisch gingen große Technologiesprünge (Dampfmaschine, Elektrifizierung, Computer) stets mit einem Produktivitätsschub einher. Die Nationalakademien-Studie „Artificial Intelligence and the Future of Work“ (2025) sieht KI in einer ähnlichen Rolle. Bislang sind die messbaren Effekte von KI auf die Gesamtwirtschaft zwar noch gering, was vor allem an der frühen Phase und niedrigen Verbreitung der Technologie liegt. Doch die jüngsten Fortschritte – allen voran Generative KI wie große Sprachmodelle – weisen bereits den Weg: In konkreten Anwendungen steigert KI schon heute die Effizienz. So lassen sich etwa in Kundenservice-Zentren mit KI-Unterstützung mehr Anfragen pro Stunde bearbeiten, in Software-Entwicklung und Texterstellung nimmt die Geschwindigkeit und Qualität spürbar zu. Diese punktuellen Produktivitätsgewinne könnten sich, mit wachsender Verbreitung der Technologie, auf die gesamte Volkswirtschaft übertragen.

Tatsächlich deutet eine Szenariobetrachtung in der Studie an, dass die breite Anwendung der KI das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in den kommenden Jahren drastisch erhöhen könnte – im besten Fall von derzeit etwa 1,4 Prozent auf rund 3 Prozent im Jahr. Ein solcher Sprung würde der Wirtschaft einen Schub verleihen, vergleichbar mit vergangenen Industrie-Revolutionen. Darüber hinaus könnte Generative KI auch als Innovations-Beschleuniger wirken, indem sie wissenschaftliche Entdeckungen erleichtert und neue Geschäftsmodelle ermöglicht. All das würde die Produktivität in vielen Branchen zusätzlich befeuern.

Um das Potenzial auszuschöpfen, müssen Unternehmen und Gesellschaft jedoch in Komplementär-Investitionen investieren – sei es in Aus- und Weiterbildung der Beschäftigten, in neue Unternehmensprozesse oder in passende Infrastrukturen. KI entfaltet ihren Produktivitätsturbo nur dort voll, wo Mensch und Technik optimal zusammenspielen.

Zwischen Job-Boom und Wandel der Arbeitswelt

Wenngleich Schreckensszenarien eines massenhaften Jobabbaus durch KI populär sind, zeichnet die Studie ein deutlich nüchterneres Bild der Arbeitsmarktentwicklung. In vielen Ländern liegt die Beschäftigung auf einem hohen Niveau. Zugleich wächst in alternden Gesellschaften das Arbeitskräfteangebot nur noch langsam oder stagniert. Hier droht ein struktureller Fachkräftemangel. Vor diesem Hintergrund ist es keineswegs ausgemacht, dass KI eine Massenarbeitslosigkeit auslösen wird. Vielmehr hängt die Zukunft der Jobs davon ab, wie sich Tätigkeiten durch KI verändern. Die Kernfrage lautet: Welche Formen von Expertise werden künftig gefragt sein?

Neue Technologien haben stets ein doppelschneidiges Verhältnis zur Arbeit: Einerseits können sie den Wert bestehender Fähigkeiten untergraben. Zum Beispiel verringerte Steuersoftware den Bedarf an klassischer Buchhalter-Expertise. Andererseits entstehen im Zuge von Innovation auch stets neue Berufsfelder, die früher undenkbare Kenntnisse erfordern wie der Beruf des Softwareentwicklers in der Computerära. Diese Nachfrage nach neuem Know-how wirkt laut der Studie als kritisches Gegengewicht zu reiner Automatisierung und entscheidet langfristig über die Netto-Effekte auf Beschäftigung.

Die Autoren verweisen auf die Wirtschaftsgeschichte: Zwei große Technologieumbrüche – die industrielle Revolution im 19. Jahrhundert und die Computerrevolution im 20. Jahrhundert – haben zunächst bestimmte traditionelle Fertigkeiten obsolet gemacht, am Ende aber immer wieder zu einem Nettozuwachs an Arbeitsplätzen in neuen Bereichen geführt. Mehr als 60 Prozent der heutigen Berufe gab es 1940 noch gar nicht.

Die Zukunft der Arbeit mit KI dürfte sich daher in einem Spannungsfeld von Automatisierung und Aufwertung bewegen. Das Gremium skizziert drei mögliche Szenarien:

  • Erstens könnte KI vor allem Routinejobs und mittlere Qualifikationsniveaus verdrängen, während die Nachfrage nach Spitzenfachkräften steigt („Polarisierung“).
  • Zweitens (wenngleich aus Sicht der Experten kurz- bis mittelfristig unwahrscheinlich) wäre ein Szenario denkbar, in dem KI Menschen in nahezu allen Bereichen übertrifft und Arbeit weitgehend automatisiert – mit drastischen Verteilungskonflikten als Folge.
  • Und drittens besteht die Hoffnung auf neue Tätigkeitsprofile, in denen KI menschliche Fähigkeiten nicht ersetzt, sondern erweitert. In diesem spekulativen, aber optimistischen Szenario entstehen ganz neue Berufe, die Elemente von hochspezialisiertem Expertenwissen und breit verfügbarer Alltagsexpertise kombinieren. Damit würde der Wert von allgemeineren, für viele zugänglichen Qualifikationen wieder zunehmen.

Genau dieses Phänomen war in früheren Umbruchsphasen zu beobachten: Was zunächst nach Job-Verlust aussah, führte über einige Jahre zu einer Re-Humanisierung der Arbeit in neuen Bereichen – oft profitierten allerdings andere Arbeitnehmergruppen davon als jene, die zuvor ihre Stellen verloren hatten. Die aktuellen KI-Entwicklungen werden mit Sicherheit ebenfalls „Gewinner“ und „Verlierer“ hervorbringen, aber die Bandbreite an neuen Aufgaben und Berufen, die durch KI möglich werden, könnte groß sein.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist daher die Betonung der Kooperation zwischen Mensch und KI. Viele Tätigkeiten werden sich verändern, ohne zu verschwinden: KI-Systeme können Menschen bei komplexen Aufgaben assistieren und so deren Wirksamkeit erhöhen. Beispiele dafür sind bereits in der Medizin sichtbar: Anstatt Ärzte überflüssig zu machen, helfen Diagnose-KIs dabei, Befunde schneller und präziser auszuwerten, sodass die letztliche Entscheidung des Arztes auf einer besseren Informationsbasis steht. Architekten können mithilfe von generativer KI eine Vielzahl neuer Entwürfe durchspielen und gelangen so zu kreativeren Lösungen. In solchen Fällen ergänzt KI die menschliche Expertise, anstatt sie zu ersetzen.

Mit geeigneten KI-Werkzeugen könnten künftig auch Fachkräfte mit weniger formaler Ausbildung Aufgaben bewältigen, die früher Spezialisten vorbehalten waren. Dieses Prinzip einer „übersetzten“ Expertise eröffnet Chancen, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken: Beispielsweise könnten Pflegekräfte oder Techniker mit KI-Unterstützung gewisse Diagnose- oder Planungsaufgaben übernehmen, für die es sonst mehrjährige Weiterbildung bräuchte. Solche neuen Mischprofile würden den Arbeitsmarkt breiter aufstellen und mehr Menschen ermöglichen, an den durch KI steigenden Produktivitätsgewinnen teilzuhaben. Wichtig ist aus Sicht der Experten, diese positiven Effekte aktiv zu fördern, etwa durch Anpassung von Berufsbildern, Zertifizierungen und betrieblichen Organisationsstrukturen, die Mensch-KI-Teams effektiv einsetzen.

Bildungswesen unter Strom: Lernen im KI-Zeitalter

Ob die Arbeitskräfte von morgen die Chancen der KI ausschöpfen können, entscheidet sich maßgeblich im Bildungssystem. Bereits in der Vergangenheit war ein Anstieg des Bildungsniveaus der Bevölkerung der Schlüssel, um trotz technologischer Umbrüche Wohlstand für breite Schichten zu sichern. So brachte die Ausweitung der High-School- und Hochschulbildung im 20. Jahrhundert gut bezahlte Jobs hervor und ließ die Mittelschicht wachsen, während Phasen stagnierender Bildungsbeteiligung mit zunehmender Ungleichheit einhergingen.

Die Studie macht deutlich, dass Bildung im KI-Zeitalter noch an Bedeutung gewinnt: KI verändert sowohl die Nachfrage nach Qualifikationen als auch das Angebot an Lernmöglichkeiten. Auf der Nachfrageseite führt der technologische Wandel dazu, dass sich Job-Anforderungen ständig wandeln, was eine kontinuierliche Weiterbildung der Erwerbstätigen erfordert. Gleichzeitig eröffnet KI auf der Angebotsseite neue Wege, Bildung zu vermitteln: Intelligente Tutor-Systeme, personalisierte Lernplattformen und virtuelle Trainings können Unterricht und Training flexibler, individueller und skalierbarer machen.

Die Experten prognostizieren, dass der Bedarf an Weiter- und Umschulungsprogrammen deutlich steigen wird, damit Beschäftigte sich die neuen gefragten Kompetenzen aneignen können. Schon heute experimentieren Schulen und Hochschulen mit KI-gestützten Lernumgebungen. Insbesondere große Sprachmodelle (LLMs) ermöglichen ganz neue, dialogorientierte Lernhilfen: Sie können als KI-Tutor in natürlicher Sprache Sachverhalte erklären, beim Lösen von Aufgaben Denkanstöße geben oder personalisiertes Feedback liefern. Solche Systeme stehen erst am Anfang, doch ihr Potenzial ist enorm, etwa um Lernlücken zu schließen und auch benachteiligten Schülern einen individuellen Förderlehrer zu bieten. Wichtig ist laut Studie, dass KI im Unterricht gezielt als Ko-Pilot eingesetzt wird, der Schüler zum vertieften Lernen anregt, statt bloß fertige Antworten zu präsentieren. Gelingt dies, könnten hochwertige Bildungsangebote künftig deutlich breiter verfügbar sein – unabhängig vom Wohnort oder sozialen Status der Lernenden.

Auch in der beruflichen Bildung und Hochschulausbildung sind Anpassungen nötig. Curricula müssen erweitert werden, um kommende Generationen auf eine Arbeitswelt voller KI-Werkzeuge vorzubereiten. Konkret regt der Bericht an, Fertigkeiten wie das „Prompt Engineering“ – also die effektive Interaktion mit KI-Modellen durch geschicktes Eingeben von Anweisungen – in Schulen, Hochschulen und Trainingsprogrammen zu verankern. Außerdem sollten Fachstudiengänge (etwa Jura, Medizin, Ingenieurwesen) ihre Lehrpläne überprüfen, damit Absolventen lernen, KI-Assistenten produktiv einzusetzen und Routineaufgaben effizient an Maschinen abzugeben.

Neben der formalen Erstausbildung gewinnt das Prinzip des Lebenslangen Lernens an Gewicht: Wenn KI-Tools Berufsbilder dynamischer machen, müssen Arbeitnehmer öfter als früher neue Kenntnisse erwerben. Die Studie sieht hier auch die Politik in der Pflicht, etwa durch die Förderung kurzer, praxisnaher Weiterbildungsformate und digitale Lernberatung für Erwachsene. KI selbst kann dabei Teil der Lösung sein, zum Beispiel durch Online-Portale, die Beschäftigten aufzeigen, welche Karriereschritte mit ihren vorhandenen Fähigkeiten erreichbar sind und welche Fortbildungen sie dafür benötigen.

Der Zugang zu hochwertiger Bildung und Weiterbildung wird zu einem entscheidenden Faktor dafür, wie stark KI letztlich das Wirtschaftswachstum antreibt und wie gerecht die Früchte dieser Technologie verteilt sind. Bildung ist somit der Schlüssel, um die positiven Beschäftigungs- und Einkommenseffekte der KI-Ära breitenwirksam zu machen.