Der heißeste Wettbewerb des Jahres

Es ist der erste wirklich globale Wettbewerb im Web: Messenger-Apps aus Amerika (WhatsApp, Facebook Messenger) prallen auf dem Weltmarkt auf die Konkurrenz aus Asien (WeChat, Line). Noch liegen die Amerikaner knapp vorne, aber der Vorsprung schmilzt.

Messaging-Apps für die Kommunikation per Smartphone liefern sich nicht nur den heißesten Wettbewerb des Jahres. Zum ersten Mal müssen die amerikanischen Web-Firmen auf einem Weltmarkt ernsthafte Konkurrenten fürchten: WeChat, Line oder Kakao Talk begnügen sich nicht mehr mit ihren Heimatmärkten China, Japan und Südkorea, sondern sind auch im Rest der Welt aktiv. „In Spanien ist Line mit 15 Millionen Nutzern schon die Nummer 2“, sagt Sunny Kim, die das internationale Geschäft von Line verantwortet und im Gespräch mit FOCUS für Deutschland Downloadzahlen „weit jenseits der 100000“ schon kurz nach dem Start angibt. Der chinesische Konkurrent WeChat ist mit  Fußballstar Leo Messi als Werbefigur ebenfalls in Deutschland aktiv.  Der Lohn: Bis Oktober wurde die WeChat-App schon 800000 Mal hierzulande heruntergeladen.

Insgesamt haben sich schon 600 Millionen Menschen bei WeChat registriert, aber nur etwa die Hälfte davon ist auch aktiv. Als Weltmarktführer gilt daher das amerikanische Unternehmen WhatsApp, das 400 Millionen aktive Nutzer ausweist und mit 20 Millionen Anwendern in Deutschland sogar die beliebteste Smartphone-App stellt. „Wir sind jetzt größer als Twitter“, verkündete WhatsApp-Chef Jan Koum schon im April.

Im Unterschied zur Massenkommunikation auf Facebook werden diese Apps für die Unterhaltungen mit engen Freunden oder kleineren Gruppen wie Schulklassen eingesetzt. Da das Senden der Nachrichten und sogar Telefonate in der Datenflatrate enthalten sind, geht die Nutzungsintensität hoch: Zum Beispiel verbringen Studenten in Deutschland gut eine Stunde täglich mit der Kommunikation per WhatsApp, während  auf Telefonate oder SMS nur noch ein Bruchteil der Zeit entfällt.

Wegen dieser Nutzungswerte gelten die Apps inzwischen als größte Gefahr für Facebook, dessen Finanzvorstand David Ebersman zuletzt zugeben musste, dass die Teenager inzwischen weniger aktiv auf Facebook sind. Der Netzwerkgigant hat mit einer eigenen Messenger-App reagiert, die sich eng an die Angebote der Konkurrenz anlehnt. Inzwischen ist die Funktion auch in den populären Fotodienst Instagram eingebaut worden.

Außerhalb der USA liegen die neuen Konkurrenten aber schon vorne. Ein Vergleich der Downloadzahlen aus 26 Ländern zeigt die aktuellen Popularitätswerte: Danach führt WhatsApp vor Line, dem Blackberry Messenger und WeChat, dessen Wachstum in China wegen der vielen unabhängigen App-Stores für Android-Geräte allerdings nur schwer gemessen werden kann.  Erst an fünfter Stelle folgt die Facebook-App und das auch nur knapp vor dem Google-Angebot Hangouts, Viber und der Samsung-App ChatON. Wie hart umkämpft der Markt ist, zeigt auch der Vergleich der gesendeten Nachrichten: AufWhatsApp senden die Nutzer täglich acht Milliarden Nachrichten, aber Line ist mit 7,2 Milliarden schon dichtauf.

Hinter den Apps stehen oft große Internet-Konzerne, für die eine globale Expansion kein Problem darstellt. WeChat gehört dem chinesischen Internet-Giganten Tencent, während Line eine Tochterfirma des südkoreanischen Konzerns Naver ist. ChatOn ist eine Eigenentwicklung von Samsung und auch der strauchelnde Smartphone-Pionier Blackberry ist mit seinem Messenger BBM gut im Rennen.

Die Messenger-Apps der neuen Generation  unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt von Facebook oder Twitter: Sie verzichten auf Werbung, die vor allem auf den kleinen Smartphone-Bildschirmen nervt. „Wir haben eine Grundsatzentscheidung gegen Werbung getroffen, da wir in unserem täglichen Leben schon genug mit Werbung bombardiert werden. Wir finden, Smartphones sind nicht der richtige Platz dafür“, sagt WhatsApp-Chef Koum, der von seinen Nutzern lieber 99 Cents Jahresgebühr erhebt. Offenbar funktioniert sein Geschäft, denn Übernahmeofferten von Google und Facebook hat er abgelehnt. WhatsApp will sich weiter auf die reine Kommunikation konzentrieren. Ein Plattformgeschäft, das auch Spiele oder Shopping-Angebote in die App integriert, lehnt Koum ab. Die Wette ist riskant: Während die asiatische Konkurrenz richtige Geschäftsmodelle aufbaut, begnügt sich WhatsApp mit Kleingeld, weshalb das Unternehmen schon als das nächste MySpace gehandelt wird. Denn Konkurrent Line erzielt schon die Hälfte des Umsatzes von 115 Millionen Euro im Quartal mit Spielen; weitere 20 Prozent entfallen auf Firmen, die für die Erreichbarkeit ihrer Kunden in der App zahlen müssen. „Pläne, klassische Online-Werbung zu schalten, haben wir aber nicht“, sagte Kim.