Dobrindt plant Netzallianz „Digitales Deutschland“

Verkehrsminister Dobrindt will den Rückstand der deutschen Digitalwirtschaft verringern. Deren Schwäche könnte die gesamte Wirtschaft zurückwerfen.

Alexander Dobrindt, der neue Minister für Verkehr und digitale Infrastruktur, will mit einer Netzallianz „Digitales Deutschland“ den Rückstand gegenüber Amerika und Asien aufholen. Die größten Telekommunikations- und Netzunternehmen des Landes müssten an einen Tisch, sagte Dobrindt der Welt. Zugleich gesteht er ein, dass in Amerika und Asien deutlich mehr in die digitale Infrastruktur investiert werde als in Europa. Der Rückstand habe bereits negative Auswirkungen auf andere Branchen:

„Wir sind Technologieweltmarktführer in der Automobilindustrie. Aber BMW und Audi fahren jetzt in die USA und versuchen, die Google-Technologie in ihre Wagen zu bekommen“.

Wieso gebe es kein europäisches Unternehmen, das die passende Software herstelle, fragt sich Dobrindt und fordert eine ähnliche Initialzündung für die Digitalunternehmen, wie es Franz-Josef Strauß in den achtziger Jahren mit Airbus und EADS für die Luftfahrt geschafft habe.

Taktisch klug besetzt Dobrindt also schon einmal Digitalthemen, die weit über den Breitbandausbau hinausgehen, für den er eigentlich verantwortlich ist. Man kann darüber streiten, ob ein „runder Tisch“ die richtige Methode ist, denn bisher haben Veranstaltungen dieser Art, darunter auch der IT-Gipfel, wenig bewirkt. Aber seine Schlussfolgerung, dass eine schwache Digitalwirtschaft auch negative Folgen für die gesamte deutsche Wirtschaft haben wird, ist richtig. Denn spätestens die Elektronikmesse CES in Las Vegas sollte auch der traditionell starken deutschen Industrie gezeigt haben, dass die Tech-Konzerne weit mehr als Computer und Telefone im Sinn haben. Ihre Technik macht heute viele Produkte schlauer. Sie erreichen mit moderner Informationstechnik jetzt Produktinnovationen, die traditionelle Anbieter lange Zeit vernachlässigt haben. Noch haben viele Unternehmen nicht erkannt, wie gefährlich die Quereinsteiger aus der Tech-Welt für ihr Geschäft werden können. Bauen also noch BMW, Mercedes oder Audi die Autos der Zukunft – oder gleich Google? Stammt die Nobeluhr künftig von Apple statt von Rolex? Und fertigt Samsung die Hightech-Kleidung statt Jack Wolfskin? Der Erfahrung der Etablierten stellen die Tech-Konzerne gleich zwei wichtige Vorteile gegenüber: Die Fähigkeit, Produkte radikal neu zu entwickeln, und das Image als Innovator. Beide Aspekte wiegen schwer: Die Autofahrer trauen daher Google eher als den traditionellen Herstellern zu, das selbstfahrende Auto zu bauen, zeigt eine Umfrage.

Die Schwäche der deutschen und europäisches Digitalwirtschaft im Vergleich zu Amerika und Asien könnte sich also schnell zu einem Wettbewerbsnachteil für viele Industriezweige entwickeln. Denn die großen amerikanischen Risikokapitalgeber investieren inzwischen sehr gezielt in klassische Branchen, in denen der Großteil des Geschäfts noch traditionell gemacht wird. „Neben dem Handel sind auch Bildung und Finanzen große Trends in diesem Jahr“ hat Marc Ziegler, Digitalexperte beim Münchner Beratungsunternehmen Goetzpartners, beobachtet. Mit etwas Verzögerung seien diese Entwicklungen dann auch in Deutschland zu beobachten. Dagegen sind Investitionen in Spiele, lokale Dienste oder Suchmaschinen im vergangenen Jahr gesunken.

Der Online-Handel wird auch 2014 im Fokus der Geldgeber sein. „Der Wandel von Offline- zu Online-Handel bleibt der weltweit größte Wirtschaftstrend“, erwartet Seriengründer Oliver Samwer. Besonders auffällig sind die hohen Investitionen in den Bildungssektor. „Das Thema wurde schon vor zehn Jahren als „nächstes großes Ding“ bezeichnet. Aber erst jetzt wird richtig investiert. Die Geldgeber glauben, dass nun der Tipping-Punkt zu einem Massengeschäft erreicht ist“, sagt Alexander Henschel von Goetzpartners und verweist auf die Lernplattform Lynda. 103 Millionen Dollar hat das schon 17 Jahre alte Unternehmen Anfang des Jahres von Facebook-Investor Accel Partners und Spectrum Equity bekommen. Auf Lynda.com können Nutzer Kurse buchen, die in Zehn-Minuten-Einheiten eingeteilt sind. Die ersten drei Einheiten sind frei; wer dann Spaß an dem Thema bekommen hat, muss zahlen. Erstellt werden die Lehrvideos von Profis oder gut informierten Amateuren in ihren Fachgebieten. Viel Geld fließt auch in Online-Sprachkurse. „Ein gutes Beispiel ist Open English. Die Site bietet maßgeschneiderte Online-Kurse für jeden Kenntnisstand, meist verbunden mit spielerischen Elementen.

Eine weitere Branche, die im Netz nicht viel tut, ist ins Visier der Onliner geraten: die Banken. Gefragt die Modelle, die enttäuschten Bankkunden Alternativen bieten. „Besonders interessant ist Covestor. Dort können Anleger ihren Risikotyp wählen und sich aus 200 professionellen Portfoliomanagern denjenigen aussuchen, der das Geld nach ihren Vorstellungen das Geld investiert“ erklärt Ziegler. Um Vertrauen zu schaffen, werden die erzielten Renditen der einzelnen Berater transparent dargestellt und die Kunden können dann natürlich zum Berater, der mehr Geld verdient, wechseln. In Deutschland ist kurz vor Weihnachten noch die App Gini Pay an den Start gegangen. Damit lassen sich Rechnungen fotografieren und sofort überweisen. Ebenfalls gut finanziert sind Modelle wie Task-Rabbit: Dort erledigen Menschen kleine Hausarbeiten aller Art, von Einkaufen bis zum Babysitting. Sie können auch in einer fremden Stadt einen Agenten buchen, der für sie eine Wohnung besichtigt.