„Big Picture des Medienwandels“ – Erfahrungen aus 20 Jahren Digitalisierung
Die Entwicklung der traditionellen Medien zeigt: Online-Werbung reicht für journalistische Produkte auf Dauer nicht als Erlösquelle, weil der Wettbewerb durch Content Marketing, Click-Bait-Sites und Roboterjournalismus immer größer wird.
20 Jahre, nachdem mit Spiegel Online die erste Nachrichtensite in Deutschland live ging, spielt das Internet in den Bilanzen der deutschen Medien immer noch keine Rolle. Die Online-Werbung, die lange als einzige Einnahmequelle der Verlage im Internet aufgebaut wurde, kann die Rückgänge der Print-Werbung bisher nicht in Ansätzen auffangen. Und die Chancen am unteren Ende der Qualitätsskala werden nicht besser, da der Wettbewerb durch Content Marketing, Click-Bait-Sites und Roboterjournalismus immer größer wird, gleichzeitig die Monetarisierung im mobilen Web noch schwieriger wird. Pay Content muss daher als Umsatzquelle aufgebaut werden, was aber nur gelingen kann, wenn die Verlage dem Nutzer das anbieten, was er möchte. Hohe Qualität in den Themen, die den Nutzer wirklich interessieren, was meiner Meinung nach eine Entbündelung nach Themen und eine Konzentration der Redaktionen auf ihre Spezialthemen mit sich bringen muss.
Hier die wichtigsten Charts aus meinem Vortrag beim Frankfurter Tag des Online-Journalismus zu diesem Thema:
1. Alle elektronischen Medien haben in den vergangenen 40 Jahren an Reichweite und Nutzungsdauer gewonnen; das Internet dank „Mobile“ in den vergangenen drei Jahren noch einmal besonders stark, während die Printmedien auch schon vor dem Internet weniger intensiv gelesen wurden.
2. Die Zeitungsauflagen hatten ihren Höhepunkt 1993/1994 und gehen seitdem stetig zurück. Eigentlich war der Höhepunkt schon Anfang der achtziger Jahre erreicht, aber die Wiedervereinigung führte zu einem temporären Anstieg. Nur die Wochenzeitungen können sich einigermaßen halten.
3. Lediglich die Print-Vertriebserlöse sind in den Zeitungsverlagen einigermaßen stabil, da die Preise mehrfach erhöht werden konnten. Die Online-Erlöse sind auch 20 Jahren nach dem Start der ersten redaktionellen Websites nicht in der Lage, nennenswerte Beiträge zu liefern.
4. Noch können E-Paper die Verluste im Print nicht ausgleichen, doch die Lücke wird kleiner.
5. Die Bedeutung des bedruckten Zeitungspapiers als Informationsquelle für das tägliche Geschehen geht in allen Bevölkerungsgruppen stetig zurück, am stärksten in der lukrativsten Gruppe der jungen Akademiker.
6. Die Lage bei den Fachzeitschriften ist relativ entspannt. Seit der Finanzkrise ist der Umsatz weitgehend stabil geblieben, auch weil die Erlöse aus dem Digitalgeschäft höhere Bedeutung als bei den General Interest Angeboten haben.
7. In den Bilanzen der Publikumszeitschriften sind auch die Vertriebserlöse der konstante Teil, während die Werbung Jahr für Jahr zurückgeht. Auch hier spielt das Digitale kaum eine Rolle.
8. Den Umsatzrückgang haben die meisten Verlage mit einem starken Personalabbau aufgefangen, so dass die Gewinne ziemlich konstant geblieben sind, hat Prof. Wolfgang Seufert von der Uni Jena errechnet. Nachhaltig ist die Strategie allerdings nicht.
9. Relative Entspannung dagegen bei den Fernsehsendern: Die Werbung (und die Gebühren sowieso) sind stabil. Dass die Jugend weniger Fernsehen schaut, stört die Werber wenig.
10. Das Internet gewinnt als Infoquelle an Bedeutung, auch wenn dahinter natürlich oft die Angebote der klassischen Medien im Netz stehen.
11. Fernsehen und soziale Netzwerke gewinnen als Nachrichtenkanäle an Bedeutung, Printmedien verlieren.
12. Wie unterschiedlich die Strategien der Websites sind, um Traffic zu generieren, zeigt die Verteilung der Trafficquellen. Heftig & Co. sind stark von Facebook abhängig, viele klassische Mediensites von Google.
13. Online-Werbung wächst schnell, doch das meiste Geld fließt in die Kassen der Internet-Unternehmen. Google allein erzielt etwa die Hälfte des Umsatzes der Internet-Firmen. Der Anteil der Verlage liegt seit Jahren unter 10 Prozent.
14. Der Wandel zu Mobile macht die Lage nicht besser, da die großen Internetunternehmen wie Google und Facebook schon mehr als 70 Prozent Anteil am mobilen Werbemarkt haben. Dieser Anteil ist deutlich größer als im Gesamtmarkt, der noch von Desktops beherrscht wird. Instream-Werbung funktioniert auf mobilen Geräten deutlich besser als Banner, die dann den ganzen Bildschirm bedecken und massiv stören.
Der Vortrag hier im Video: