„Der Staat als Großversender muss die De-Mail konsequent einführen“

Jan Oetjen, Chef von Web.de/GMX, kritisiert die langsame Einführung der rechtssicheren, aber umstrittenen De-Mail. In anderen Ländern seien schon zwei Drittel der Bevölkerung an ein solches System angeschlossen.

Jan Oetjen

Jan Oetjen, der Chef der beiden größten deutschen E-Mail-Dienste Web.de und GMX, kritisiert die langsame Einführung der rechtssicheren De-Mail, die im E-Government-Gesetz als Ersatz für den Brief vorgesehen ist. „Die De-Mail steht in Deutschland immer noch am Anfang. Andere Länder sind schon wesentlich weiter“, sagte Oetjen dem Nachrichtenmagazin FOCUS. In Dänemark seien schon zwei Drittel der Bevölkerung an ein vergleichbares System für die sichere elektronische Kommunikation mit Behörden und Unternehmen angeschlossen. Die deutschen De-Mail-Anbieter, vor allem Web.de, GMX und die Deutsche Telekom, hätten ihre Hausaufgaben gemacht und inzwischen mehr als eine Million Menschen für die De-Mail registriert. „Nun muss sich der Staat als Großversender zu seinem eigenen System bekennen und es konsequent einführen“, lautet Oetjens Forderung.

„Wir führen De-Mail flächendeckend ein“

Das hat die Bundesregierung offenbar auch vor, wie im aktuellen Entwurf für die Digitale Agenda zu lesen ist:

„Die Verwaltung soll über verschiedene Wege sicher und einfach erreichbar sein. Wir führen De-Mail flächendeckend ein. Um die flächendeckende Einführung von De-Mail zu beschleunigen, wird eine gemeinsame Arbeitsgruppe mit der Wirtschaft eingerichtet, in der Erfahrungen ausgetauscht und identifizierte Hürden zeitnah adressiert werden.“

Hoffnung auf ein „ewiges Geschäft“

Die De-Mail-Anbieter haben das System nach staatlichen Vorgaben aufgebaut, was inzwischen wohl einen dreistelligen Millionenbetrag gekostet hat. Als Gegenleistung versprechen sie sich „ein ewiges Geschäft“, wie es Ralph Dommermuth, der Chef von United Internet und damit auch Web.de und GMX, einmal formulierte. Denn die De-Mail-Anbieter wollen dann dauerhaft das „Porto“ für die elektronische Post kassieren. 39 Cent je De-Mail schweben ihnen vor, auch wenn sie inzwischen erkannt haben, dass dieser Preis für Privatnutzer im Moment prohibitiv ist. 25000 Unternehmen und eine Million Menschen haben sich für das System inzwischen registriert, aber die Umsetzung dauert sehr lange. Dresden soll nun als Pilotstadt herhalten, um die Einführung zu testen und die Vorteile zu finden.

Hohe Ersparnis, aber schwache Verschlüsselung

Eines Tages soll die De-Mail den rechtssicheren Brief ablösen, zum Beispiel für die Bescheide der Rentenversicherung oder der Finanzämter, aber auch in der Kommunikation zwischen Versicherungen oder Banken mit ihren Kunden. Die Ersparnisse für die Versender sind hoch, wenn Papier und Porto wegfallen. Allerdings gibt es auch erhebliche Kritik an der Konstruktion der De-Mail: Sie erfordert ein eigenes Postfach, das die Bürger wie ihren normalen Briefkasten regelmäßig kontrollieren müssen. Außerdem ist die fehlende Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, die nur dem Empfänger das Lesen erlaubt, ein wesentlicher Kritikpunkt. Die De-Mail wäre auch nicht das erste staatliche IT-Projekt, das scheitert.

Generelle Bedenken gegen die De-Mail hat auch Michael Rotert, der an der Uni Karlsruhe vor 30 Jahren die erste E-Mail in Deutschland empfangen hatte. „Firmen, die mit staatlichen Stellen umgehen, haben sicher Vorteile. Aber bei Privatnutzern wird sich die De-Mail wegen der fehlenden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung nicht durchsetzen“, sagte der E-Mail-Pionier zu FOCUS, der von den Abhörmethoden der Amerikaner nicht überrascht war. „Die Amerikaner haben schon vor 30 Jahren alle E-Mails mitgelesen“, sagte Rotert.

Den kompletten Artikel, inklusive der Interviews mit Jan Oetjen und Michael Rotert, gibt es im neuen FOCUS.


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