Rechts-KI „Noxtua“ nimmt Anwälten die Routinearbeit ab

Die Wirtschaftskanzlei CMS und das KI-Start-up Xayn haben das Sprachmodell „Noxtua“ entwickelt, das Rechtstexte analysieren, prüfen und zusammenfassen soll. Die KI erfülle alle Anforderungen des anwaltlichen Berufsgeheimnisses und des Datenschutzes in Europa.

An den Juristen ist die Digitalisierung lange vorbeigegangen. Die akkurat gedrechselten Sätze und wasserdichten Verträge entstehen ausschließlich in den Köpfen der Anwälte, die ihr Wissen anschließend in Texte gießen. Entsprechend sei Microsoft Word immer noch das wichtigste Tool der Juristen, sagt Markus Kaulartz, Rechtsanwalt für KI und Partner bei CMS in Deutschland. Bisher. Denn mit der generativen KI hat die Digitalisierung nun auch die Rechtsbranche erfasst. In allen Rankings der Berufe, die von KI erfasst und verändert werden, steht die Juristerei nicht mehr am Ende, sondern plötzlich ganz oben. „Eine KI, die mit Sprache umgehen kann, wird die Rechtsbranche in den nächsten Jahren massiv verändern“, erwartet Kaulartz.

„Harvey„ heißt die bisher bekannteste KI, die Sprachmodelle mit juristischen Texten trainiert. Das Problem dabei: Das Start-up aus San Francisco, immerhin schon mit 700 Millionen Dollar bewertet, setzt auf ChatGPT des amerikanischen Unternehmens Open AI auf. Die KI kann zwar gut mit Sprache umgehen, gerät bei den konkreten Anforderungen der deutschen Gesetzgebung, dem anwaltlichen Berufsgeheimnis und dem Datenschutz aber ins Schleudern, weil sie nicht darauf trainiert wurde.

Allerdings ist es bei der Größe des Marktes nur eine Frage der Zeit, bis ein Player aus der Digitalbranche eine KI exakt auf das europäische Recht ausrichtet. „Wir tun das, um wettbewerbsfähig zu sein“, hat Kaulartz erkannt – und hat nun gemeinsam mit dem Berliner Start-up Xayn die Rechts-KI Noxtua entwickelt. Dahinter verbirgt sich eine KI mit einem eigenen „Legal Large Language Model“ inklusive KI-Assistenten, das über Monate mit juristischen Texten und Gesetzen trainiert wurde, um die Anforderungen der Anwälte exakt zu erfüllen.

Die KI soll nun als digitaler Ko-Pilot für die CMS-Anwälte Verträge prüfen, bei einer Due Diligence unterstützen, Fragen in Massenverfahren beantworten oder E-Mails formulieren. „Die KI wird viele repetitive Tätigkeiten der Anwälte übernehmen“, erwartet Kaulartz und stellt klar: „Künstliche Intelligenz ist ein Werkzeug für Anwälte, kein Ersatz.“ Da die Branche händeringend Nachwuchs sucht, gilt die Automatisierung der Routinetätigkeiten auch hier als Königsweg zu mehr Effizienz und Bekämpfung des Fachkräftemangels.

Beides trifft nicht nur für die Kanzleien zu, sondern auch für die Rechtsabteilungen vieler Unternehmen, die unter der Last von immer mehr Vorschriften stöhnen. „Rechtsabteilungen haben oft gar keine Kapazitäten mehr, alle Verträge zu prüfen. NDAs werden oft nur noch durchgewunken, weil eine Prüfung nicht mehr wirtschaftlich ist. Unsere KI kann hier Abhilfe schaffen“, sagt Leif-Nissen Lundbæk, CEO und Mitgründer von Xayn. Noxtua soll daher auch Rechtsabteilungen und anderen Kanzleien offenstehen. Erste Tests, auch mit Behörden, laufen inzwischen. Die KI spricht mehrere Sprachen und soll auch in anderen Ländern ausgerollt werden.

Seit sechs Jahren forscht sein Unternehmen an diesen Modellen, die dank der Spezialisierung wesentlicher kleiner und effizienter sind als das große ChatGPT. Daher können die Algorithmen zu den Daten gebracht werden – und nicht umgekehrt, was die Einhaltung der rechtlichen Anforderungen wesentlich erleichtert. „Unser Ko-Pilot lässt sich theoretisch sogar auf einem Macbook installieren“, sagt Lundbæk. Die KI läuft auch nicht in einem Rechenzentrum eines amerikanischen Hyperscalers, sondern in der Telekom-Cloud, die auf die Bedürfnisse der Anwälte als Berufsgeheimnisträger nach § 203 Strafgesetzbuch ausgerichtet ist.