Wie Google die Wege seiner Nutzer in die Geschäfte verfolgt
Google kann den Aufenthaltsort der Android-Nutzer genau bestimmen. Und damit beweisen, wer nach dem Ansehen einer Werbung ein lokales Geschäft aufsucht.
Google erfasst die Wege der Android-Nutzer in stationäre Geschäfte, um die Wirkung zuvor gesehener Online-Werbung zu messen. Damit könnte der RoPo-Effekt (Research online, purchase offline) bewiesen werden.
„Beyond The Blue Dot” hatten die beiden Google-Ingenieure Waleed Kadous und Jaikumar Ganesh ihren Vortrag genannt, den sich jeder Smartphone-Besitzer einmal anschauen sollte. Auf der Google-Entwicklerkonferenz I/O in San Francisco im Mai zeigten sie, wie sie aus Daten von Satelliten, Mobilfunknetzen, WLans und den Smartphone-Sensoren den aktuellen Aufenthaltsort der Nutzer bestimmen können. Im Moment kann die Abweichung noch sechs Meter betragen. „Unser Ziel lautet, den Wert auf einen Meter zu senken“, sagte Kadous. Dann kann Google genau sagen, wo sich die etwa eine Milliarde Android-Nutzer auf der Welt gerade aufhalten.
Zum Beweis lief ein Google-Mitarbeiter in ein großes Gebäude hinein und auf der anderen Seite wieder heraus. Der „blaue Punkt“, also Google, folgte ihm auf dem Bildschirm auf Schritt und Tritt. Und die beiden Ingenieure hatten sich noch mehr einfallen lassen: Aus den Daten der Sensoren konnten sie auch genau erkennen, ob der Nutzer zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem Auto unterwegs war. „Das ist wahrscheinlich der größte Fortschritt in der Lokalisierung, seitdem es Android gibt“, sagte Kadous.
Offline-Kaufverhalten messen
Mit einer derart präzisen Ortung kann Google zum Beispiel seinen Landkartendienst Maps verbessern. Wenn die Android-Handys in 20 Autos auf einer Straße sich plötzlich gar nicht mehr oder nur noch im Schritttempo bewegen, kann die Software inzwischen fast in Echtzeit einen Stau anzeigen. Wie Google mit diesem Wissen über den Aufenthaltsort seiner Nutzer aber Geld verdienen will, hat das Unternehmen erst jetzt verraten. Ein Test in den USA soll herausfinden, wie gut die Online-Werbung bei Google in der Offline-Welt wirkt. Dafür verfolgt die Suchmaschine nämlich nicht nur die Wege seiner Nutzer im Netz, sondern nun auch in die stationären Läden. Wer zum Beispiel im Netz nach einem Staubsauger googelt und anschließend in einen Elektro-Laden geht, hat also mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die Anzeige reagiert. Das Wissen, wo welcher Laden liegt, hat das Unternehmen mit seinem Street-View-Programm erhalten, als die Google-Autos mit ihren Kameras alle Straßen fotografierten. Wo die Autos nicht hinkamen, füllen Pläne öffentlicher Gebäude die Lücken.
„Es handelt sich um einen Betatest in den USA, um die Auswirkungen von Online-Investments auf das Offline-Kaufverhalten besser verstehen zu können“, sagte ein Sprecher. Ob und wann die Offline-Verfolgung auch in Deutschland zu erwarten ist, wollte er nicht sagen. Doch wenn die Offline-Verfolgung die gewünschten Ergebnisse bringt, ist früher oder später mit der weltweiten Nutzung zu rechnen.
Rechtlich ist die Suchmaschine mit der Verfolgung in die Geschäfte auf der sicheren Seite. Seine Zustimmung zu diesem Tracking gibt der Nutzer schon bei der Einrichtung seines Android-Gerätes. Ausschalten lässt sich die automatische Verfolgung nur, wenn die Ortungsfunktion deaktiviert ist. Dann aber funktionieren auch die praktischen Dienste wie Google Maps nicht mehr. „Wer diese Dienste nutzen will, muss in Kauf nehmen, dass wir seinen Aufenthaltsort kennen“, sagt ein Google-Sprecher. Die Daten würden allerdings aggregiert und anonym erfasst und gespeichert. Rückschlüsse auf einzelne Nutzer seien nicht möglich.
Die Hälfte des mobilen Werbemarktes geht an Google
Im Visier von Google ist der Milliardenmarkt der mobilen Werbung, der in diesem Jahr zwar nur geschätzte 17 Milliarden Dollar groß ist, aber sehr schnell wächst. Seine starke Marktposition bei den Smartphones – zuletzt liefen 82 Prozent aller verkauften Geräte mit dem Google-System – hilft dem Unternehmen, die Nutzer künftig zielgerichtet mit Werbung zu versorgen. Mehr als die Hälfte des mobilen Werbegeschäfts entfällt bereits auf Google.
Werbung auf Smartphones gilt als das nächste große Ding für die Big-Data-Spezialisten. Schon jetzt liefern die mobilen Geräte den Werbern weit bessere Daten als die klassischen Desktop-Browser mit ihren Cookies. „Auf mobilen Geräten sieht man, welche Inhalte sich die Nutzer angeschaut werden, welche Produkte sie gekauft haben und wie sie auf Werbung reagieren. Dazu kommt im mobilen Web natürlich das Wissen über den Aufenthaltsort des Nutzes. Satellitennavigation liefert uns den nächsten großen Datensatz“, erklärt Mark Prior, Mobile-Chef des kalifornischen Big-Data-Spezialisten Rocket Fuel.
Apps liefern bessere Daten als Browser
Das funktioniere in Apps wesentlich besser als im Browser. „Die App kann uns bessere demographische Daten liefern, wenn der Nutzer eingeloggt ist. In der App können wir auch die Aktivität messen, zum Beispiel die Bereitschaft, Geld auszugeben”, erläutert Prior. Die Technologie hat sich in den vergangenen zwölf Monaten sehr gut entwickelt. “Mit jeder Anfrage an einen Werbemarktplatz werden Daten über den Nutzer mitgeschickt, die am Ende in unseren Datenbanken landen. Das funktioniert mindestens genauso gut wie im Cookies im Browser. Und in Ländern wie Deutschland, wo viele Nutzer ihre Cookies regelmäßig löschen, bekommen wir auf diese Weise wesentlich bessere Daten“, sagt Prior.
Google hat sein System erst vor wenigen Wochen umgestellt. Erstmals ist es in der neuen Betriebssystemvariante Android 4.4 (Kitkat) möglich, die Übermittlung dieser Daten an die Werbetreibenden auf dem Gerät auszuschalten. Vorher musste ein Nutzer seine Gerätenummer umständlich auf der Website des Werbenetzwerkes eintragen – ein Idee, auf die nur Profis kamen.
Apple hat dazu das IDFA-Verfahren eingeführt, das Identifikationsverfahren für Werber. Dabei bekommen die Werbetreibenden aggregierte Daten, an welche Zielgruppe ihre Werbung ausgeliefert wurde. Diese Daten sollen aber keine Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen. Apple hat dieses anonymisierte Verfahren auch erst in diesem Jahr eingeführt. Zuvor gab es das UDID-System, das eine direkte Verbindung zu einem einzelnen Gerät und seinem Besitzer ermöglichte.