Waze will auf dem deutschen Markt Gas geben

Noam Bardin ist ein Witzbold: „Wie Waze Geld verdient? Wir gehören jetzt zu Google. Das ist nicht mehr wichtig“, sagt der Chef der israelischen Navigations-App, für die Google 1,1 Milliarden Dollar hingeblättert hat. Bardin kann sich jetzt ganz auf neue Märkte konzentrieren. Ganz oben auf seiner Liste: Deutschland. „Wir müssen den Markt hier knacken. Deutschland hat eine […]

Bardin

Noam Bardin

Noam Bardin ist ein Witzbold: „Wie Waze Geld verdient? Wir gehören jetzt zu Google. Das ist nicht mehr wichtig“, sagt der Chef der israelischen Navigations-App, für die Google 1,1 Milliarden Dollar hingeblättert hat. Bardin kann sich jetzt ganz auf neue Märkte konzentrieren. Ganz oben auf seiner Liste: Deutschland. „Wir müssen den Markt hier knacken. Deutschland hat eine Auto-Kultur; von hier gehen viele wichtige Entwicklungen im Automarkt aus“, sagte Bardin zu FOCUS. Bisher habe Waze in Deutschland nicht viel gemacht und sei nur organisch gewachsen. „Aber das wird sich in diesem Jahr ändern.“

Waze ist eine Navigations-Community, in der sich Nutzer gegenseitig auf Verkehrsbehinderungen hinweisen, Staus, Unfälle, Blitzer oder gesperrte Straßen melden. Je mehr mitmachen, desto besser wird das Ergebnis. Inzwischen hat die Waze-Community mehr als 50 Millionen Mitglieder, die zusammen etwa fünf Milliarden Kilometer jeden Monat fahren. 700000 Menschen haben sich in Deutschland für den Dienst registriert; aber wie viele tatsächlich aktiv sind, will Bardin nicht verraten. „Wir haben die kritische Masse in Deutschland noch nicht erreicht“, gibt er zu. In den Großstädten in den Vereinigten Staaten, Frankreich oder Italien habe sich Waze längst etabliert.

Die App ist gebaut für die tägliche Fahrt in Ballungszentren, wo mehrere Wege zum Ziel führen. „Wer den Weg nicht kennt, nutzt ein normales Navigationssystem. Aber wer die schnellste Route zu einem bekannten Ziel sucht, ist mit Waze besser bedient“, hofft Bardin, dessen App ein einfaches Ziel verfolgt: „Wir kommen wie ein Spiel daher, aber der Nutzen daraus ist sofort ersichtlich: Eine Zeitersparnis von 5 oder 10 Minuten am Tag“.

Schon bald soll die App den Nutzern genau ausrechnen, wann sie losfahren müssen, um ihr Ziel rechtzeitig zu erreichen. Bisher habe die Funktion auf historischen Daten basiert. Das ginge mit einer präzisen Verkehrsprognose aber besser, verspricht Bardin.

Wie andere Navigations-Apps sammelt Waze automatisch Daten über die gefahrene Route und die Geschwindigkeit. Daraus lässt sich die Durchschnittsgeschwindigkeit auf jeder Straße und zu jedem Zeitpunkt errechnen. Bewegen sich viele Smartphones auf einer Straße aber plötzlich viel langsamer oder gar nicht mehr, liegt der Rückschluss auf einen Stau nahe. „Bei Waze geben die Nutzer zusätzlich den Grund für den Stau ein, zum Beispiel einen Unfall mit Straßensperrung. Das können Menschen immer noch besser als Maschinen“, erklärt Bardin. Weil hinter der Unfallstelle keine Autos fahren, senden alte Systeme mehr Fahrzeuge dorthin – was den nächsten Stau verursache, kritisiert er.

Die Nutzer melden aber nicht nur Staus, sondern verfeinern auch die Landkarte. „Wenn eine neue Straße gebaut wird oder eine eingetragene Strecke gesperrt wird, melden unsere Nutzer dies sofort. In Deutschland beteiligen sich etwa 4000 Menschen daran. In Frankreich sind es schon 12000“, sagt Bardin. Das Problem veralteter Landkarten in älteren Navigationssystemen sei damit beseitigt.

Ein Zukunftsprojekt sei die Zusammenarbeit mit Stadtverwaltungen. „Sie können uns vorher sagen, wenn sie wegen Bauarbeiten eine Straße sperren müssen. Dann können wir den Verkehr rechtzeitig umleiten. Dieser Crowd-Ansatz ist wesentlich billiger als die Systeme, die Stecken permanent überwachen – selbst wenn kaum Autos unterwegs sind“, sagt Bardin.

In Deutschland will Waze neue Nutzer vor allem über Kooperationen mit lokalen Radiostationen erreichen. „Wir konzentrieren uns zunächst auf die großen Städte. Wenn Frankfurt, Berlin oder Hamburg funktionieren, dann wird es leichter, die Nutzer auch in anderen Städten zu motivieren“, hofft Bardin.  Möglich seien auch Kooperationen mit Netzbetreibern wie der Deutschen Telekom, damit der Datenverkehr im Mobilfunktarif enthalten ist. „Ich sehe keinen Grund, warum wir hier nicht genauso erfolgreich sein sollen wie in anderen Ländern“.