Michael E. Porter: Das Internet der Dinge verändert Unternehmen stärker als alle bisherigen IT-Entwicklungen“

Wenn Produkte smart und vernetzt werden, sind die Rückwirkungen ins Unternehmen hinein gewaltig. Kurze Feedback-Loops müssen in die Produktion einfließen, lebenslange Wartung und Service verändern Marketing, IT und die Service-Abteilungen gravierend.

Informationstechnik prägt Unternehmen seit vielen Jahren. Zuerst wurden interne Prozesse vereinfacht und automatisiert, dann kamen die externen Beziehungen, zum Beispiel zu Lieferanten und Kunden. „Aber nun erleben wir zum ersten Mal, wie Informationstechnik in Form der Sensoren auch in die Produkte eingebettet wird. Die smarten, vernetzten Produkte werden die Art, wie Unternehmen funktionieren und wie sie organisiert werden, viel stärker verändern als alle früheren Entwicklungsstufen der Informationstechnik“, sagt Management-Guru Michael E. Porter voraus.

Harvard-Professor Porter erwartet vier fundamentale Änderungen, wenn Produkte bald mit Sensoren ausgestattet sind und permanent Daten über Zustand und Nutzung zum Hersteller zurückfunken.

  • Überwachung: Mit Hilfe der Sensoren in den Produkten lässt sich sehr genau messen, wie die Produkte genutzt werden. Das liefert Unternehmen erstmals präzise Informationen, um ihre Produkte zu verbessern.
  • Steuerung: Produkte können nun aus der Ferne gesteuert werden . „Remote Control“ funktioniert nicht nur für große Maschinen, sondern bald für sehr viele kleinere Produkte des Alltags.
  • Optimierung: Die Leistung und Funktionsfähigkeit der Produkte kann während der Nutzung laufend optimiert werden, was bisher nicht möglich war.
  • Automatisierung: Mit Hilfe von Machine Learning können die Produkte bald auch komplett autonom agieren, ohne menschliche Hilfe.

Die Änderungen für Unternehmen sind gravierend, kündigten Porter und PTC-Chef Jim Heppelmann auf der Liveworx15-Konferenz in Boston an.

  • Die großen Datenströme, die von den Produkten in die Unternehmen zurückfließen, werden mit externen Daten kombiniert. Diese Daten dann aber richtig auszuwerten, wird eine große Aufgabe.
  • Benötigt wird eine intensive Zusammenarbeit zwischen IT und Forschung & Entwicklung. Der Feedback-Loop in der Produktentwicklung wird viel kürzer, weil die Daten aus den Produkten permanentes Feedback geben.
  • Vor allem die Produktion wird sich neu erfinden. Viele Funktionen werden in die digitalen Komponenten eingebettet und können wie beim iPhone per Software gesteuert werden. Aus den Daten lassen sich permanent Rückschlüsse schließen, wie die Produkte verbessert werden. Die Produktion muss sich von ihren oft langjährigen Produktzykeln verabschieben und in der Lage sein, kurzfristig zu reagieren. Die „Economies of Scale“ verlieren in dieser Welt an Bedeutung.
  • Die normale Service-Organisation wird es nicht mehr geben. Service wird aus der lebenslangen Betreuung des Produktes bestehen.
  • Das Unternehmen ist verantwortlich, dass das Produkt lebenslang funktioniert. Das alte Marketing-Modell, ein Produkt zu verkaufen und sich dann nicht mehr weiter um den Kunden zu kümmern,  wird es nicht mehr geben.

Unternehmensbereiche im IOT-Zeitalter

 

Organisatorisch seien vier Änderungen notwendig, sagte Heppelmann, dessen Unternehmen PTC Software für den Bau der Anwendungen im zu den Pionieren für das „Internet der Dinge“ liefert:

  • Data-Analytics: Benötigt werde eine Abteilung, die aus den vielen Daten die richtigen Schlüsse zieht, und dem CEO die richtigen Empfehlungen gibt.
  • Design-Collaboration: Benötigt werde auch eine F&E-Abteilung, die aus den Daten die richtigen Rückschlüsse für die Entwicklung neuer Produkte zieht und eng mit der IT zusammenarbeitet.
  • Online-Produktwartung: Wenn das richtige Produkte entwickelt sei, müssten Methoden zur Fernwartung und Steuerung etabliert werden.
  • Customer Success Management: Der lebenslange Service für die Produkte muss gewährleistet werden.

Unternehmensorganisation im IOT-Zeitalter

Auch der Wettbewerb zwischen den Unternehmen werde sich verändern. „Bisher fand Wettbewerb vergleichbarer Produkte häufig über den Preis statt. Künftig werden Produktfunktionen und zugehörige Servicefunktionen als Wettbewerbsfaktor an Bedeutung gewinnen. Der Kunde hat mehr Möglichkeiten und das ist gut so“, sagte Porter. Für die Unternehmen werde es aber schwieriger, da die fixen Kosten, das Produkt auf den Markt zu bringen und die Infrastruktur für den lebenslangen Service zu etablieren, steigen werden. „Wir sehen daher eine Bereinigung in vielen Branchen, da der Aufwand sehr hoch ist. Das werden sich viele Unternehmen nicht leisten können“, erwartet Porter.

Jim Heppelmann / PTC

Jim Heppelmann / PTC

Smarte, vernetzte Produkte werden auch die Industriegrenzen nach außen verschieben. Systemintegratoren kommen hinzu, die schnell große Teile der Wertschöpfung an sich ziehen können und den Platzhirschen zu einer Commodity machen können. (Siehe dazu: Porter/Heppelmann: How Smart, Connected Products Are Transforming Competition)

Für Porter wird das Internet der Dinge eine neue Phase technischen Fortschritts und Produktivitätszuwächse auslösen. „Die vergangenen 10 oder 15 Jahre waren für die Volkswirtschaft nicht besonders gut. Wenig technischer Fortschritt, wenige neue Arbeitsplätze. Nun sehen wir vor einer Phase großer Produktivitätsfortschritte, ausgelöst durch smarte, vernetzten Produkte. Das gilt nicht nur für produzierende Industrien, sondern auch für Service-Unternehmen“.

Wie Smart Services Unternehmen beeinflussen, diskutieren wir am 12. Juni in der International Business School of Service Management