Wie Facebook die Unternehmen für Reichweite zahlen lässt

Viral war gestern: Die Reichweite der Unternehmen auf Facebook beruht immer stärker auf bezahlten Anzeigen. In nur zwei Jahren ist der Anteil der bezahlten Reichweite von 50 auf etwa 80 Prozent gestiegen, zeigt eine Analyse von Socialbakers.

Fake-News hin oder her: Die Zeit, die Menschen in den sozialen Medien verbringen, steigt stetig. Entsprechend erhöhen auch die Unternehmen ihr Engagement. „2015 haben die Unternehmen etwa 30 Milliarden Dollar in Social-Media-Werbung investiert. 2016 waren es etwa 50 Milliarden Dollar“, schätzt Robert Lang, CEO von Socialbakers. Die höheren Ausgaben sind nötig, weil der Anteil der organischen/viralen Verbreitung ihrer Inhalte auf Facebook immer weiter zurückgeht; entsprechend steigt der Anteil der bezahlten Werbung. „Diese Tendenz ist auf allen Social-Media-Plattformen zu beobachten. Snapchat hat von vornherein gesagt, dass Unternehmen Medienleistung nur gegen Geld bekommen“, erklärt Lang.

Der Socialbakers-Vergleich der Anteile organischer, viraler und bezahlter Impressions der Top-Marken auf Facebook zeigt die Verschiebung: Der Anteil der Impressions, die von den Unternehmen bezahlt wurden, ist in diesen zwei Jahren von 52 auf 83 Prozent gestiegen. Entsprechend sind die Anteile organischer Impressions, die durch direkte Interaktionen der Fans einer Page entstehen, oder viraler Impressions, die indirekt nach dem Teilen der Beiträge von Nicht-Fans entstehen, gefallen. Dazu passt eine weitere Untersuchung von Mavrck, die 25 Millionen Facebook-Postings auf das Engagement der Nutzer analysiert haben. Das Ergebnis zeigt, dass die Interaktionen der Nutzer je Posting im vergangenen Jahr stark gesunken sind:

  • Im Jahr 2016 haben Nutzer 30 Prozent weniger eigene Inhalte geteilt.
  • Das User Engagement ist im vergangenen Jahr um 15 Prozent je Posting gefallen.
  • Die Zahl der Likes je Post ist um 8 Prozent gefallen; die Kommentare je Beitrag fielen um 37 Prozent; die Zahl der Shares um 28 Prozent.

Die Situation in Deutschland ist ähnlich: 79 Prozent der Ansichten der Facebook-Markenpages waren im Januar 2017 bezahlt; zwei Jahre zuvor betrug der Anteil nur 54 Prozent. 

Die absoluten Werte zeigen das Bild, dass organische und virale Impressions in diesem Zeitraum stagnierten, während allein die bezahlten Impressions für das Wachstum verantwortlich waren.


Zur genauen Definition:

Bezahlte Impressions: The number of impressions of a Sponsored Story or Ad pointing to your Page

Organische Impressions: The number of times your posts were seen in News Feed or Ticker or on visits to your Page. These impressions can be Fans or non-Fans

Virale Impressions: The number of impressions of a story published by a friend about your Page. These stories include liking your Page, posting to your Page’s Wall, liking, commenting on or sharing one of your Page posts, answering a Question you posted, RSVPing to one of your events, mentioning your Page, phototagging your Page or checking in at your Place.

Dark Posts are not included.


Die Besonderheit der sozialen Medien ist die Anpassung des Preises an die Qualität der Werbung: Gute Werbeinhalte, die Nutzer gerne sehen, ist billiger zu haben als schlechte Werbung. Der Facebook-Algorithmus macht den Preis davon abhängig, wie gut die Werbung beim Nutzer ankommt, um diesen nicht zu viele schlechte Werbung vorzusetzen. „Das ist für viele Media-Einkäufer noch ungewohnt, die bisher eine Zeitungsseite oder einen Banner zu einem festen Preis eingekauft haben, unabhängig vom Inhalt“, sagt Lang.

Was aber macht guten Content aus? Socialbakers hat zehn Milliarden „Inhalte“ ausgewertet. Neben der Binsenweisheit, dass gute Geschichte immer ziehen, ist der Bezug zum aktuellen Geschehen ein wichtiges Erfolgskriterium. Die Zeiten, in denen die Unternehmen ihren Kalender selbst definieren konnten, sind vorbei. Zudem wird die Echtzeit-Steuerung wichtiger: Inhalte, die gut laufen, können mit zusätzlichem Marketing-Budget befeuert werden. Auf Inhalte, die schlecht laufen, sollte man dann weniger Budget verwenden, rät Lang.

Allerdings profitieren nur zwei Online-Unternehmen von dem Boom. In den USA sind zuletzt etwa 60 Prozent des Wachstums im Online-Werbemarkt an Google geflossen, 40 Prozent an Facebook. Der gesamte Rest stagniert. Die Konzentration auf wenige große Plattformen bleibt dauerhaft bestehen, erwartet Lang. Denn nur sie bieten die Möglichkeiten, eine riesige Nutzerschaft zu vereinen, diese Nutzer aber gleichzeitig sehr granular ansprechen zu können. Der technische Fortschritt hilft den Plattformen, diesen Vorteil immer besser auszuspielen. „Eine Wende in dieser Entwicklung kann ich nicht erkennen. Social Media wird dauerhaft ein Oligopol weniger Unternehmen bleiben“.

Nachtrag: Wie erwartet hat die Gilde der Social-Media-Berater heftig gegen den Beitrag protestiert. Schließlich erzählen sie ihren Kunden eine andere Story. Natürlich sind die genannten Zahlen Durchschnittswerte, das heißt, einige Social-Media-Berater erzielen bessere Werte als der Durchschnitt, andere dafür schlechtere. Das ist das Wesen eines Durchschnitts. Tatsache ist aber, dass der Werbeanteil auf Facebook stetig steigt, was man dem Unternehmen kaum vorwerfen kann. Es verdient prächtig daran.