Deutsche Unternehmen geben mehr Geld für Digitalisierung aus
Das Digitalisierungstempo ist spürbar gestiegen. Vor allem für IT-Sicherheit, Datenanalyse und Collaboration-Tools geben die deutschen Unternehmen mehr Geld aus. Der Fokus liegt weiterhin auf besseren Kundenbeziehungen und höherer Effizienz.
Die Händler müssen gegen Amazon ums Überleben kämpfen, die Autohersteller ihre Position gegen Tesla verteidigen, die Banken den Verlust ihrer Kunden an Paypal/Google/Apple verhindern und die Maschinenbauer ihre Produkte intelligent machen. Egal, welche Strategie die Unternehmen im Moment verfolgen: Alle haben ihr Digitalisierungstempo im vergangenen Jahr spürbar erhöht und dafür auch mehr Geld ausgegeben. Der für Digitalisierungsprojekte ausgegebene Umsatzanteil ist von durchschnittlich 4,6 auf 4,9 Prozent gestiegen, zeigt eine Repräsentativbefragung von 954 Unternehmen in Deutschland mit mindestens 100 Beschäftigten.
Der zunehmende Eifer liegt auch an der gewachsenen Erkenntnis, dass Digitalisierung immer mehr Unternehmen erfasst. Vor allem im Marketing/Vertrieb und in den Geschäftsprozessen sind die Auswirkungen der Digitalisierung in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen, zeigt die Untersuchung von Bitkom Research im Auftrag von Tata Consultancy Services.
Sicherheit geht vor Innovation
Parallel zu den Auswirkungen steigen auch die Investitionen. Die meisten Unternehmen investieren zur Zeit in IT-Sicherheit, auch wenn die größte Dynamik in den Bereichen Collaboration-Tools und Datenanalyse zu beobachten ist. Das Social-Media-Marketing erreicht (immer noch) hohe Zuwächse in den Investitionsplänen der Unternehmen.
Cloud Computing ist angekommen, Künstliche Intelligenz noch nicht
Unter den eingesetzten Digitaltechnologien weist Cloud Computing die höchste Bedeutung auf, gefolgt von Big Data Analytics. Beide Technologien weisen allerdings kaum noch Wachstum auf, ganz im Gegensatz zum Internet der Dinge, dem 3D-Druck, Virtual/Augmented Reality und sogar der Blockchain, wenn auch auf niedrigem Niveau. Ein anderes Megathema tut sich in Deutschland weiter schwer: Der Anteil der Unternehmen, der Künstliche Intelligenz einsetzt, ist nur von 6 auf 7 Prozent gestiegen. Immerhin planen nun 11 Prozent der Unternehmen einen konkreten Einsatz, was fast eine Verdoppelung gegenüber dem Vorjahr entspricht. So langsam kommt also Bewegung in das Thema, das zu den Gamechangern der digitalen Ökonomie gehört.
Organisationen wollen mit der Digitalisierung ihrer Geschäftsprozesse vor allem ihre betrieblichen Abläufe effizienter gestalten und Kosten senken. Um mit Hilfe digitaler Technologien flexibler agieren zu können, setzen die Unternehmen vor allem auf die strukturierte Auswertung von Unternehmensdaten. 76 Prozent arbeiten mit entsprechenden Analysen, um betriebswirtschaftliche Entscheidungen auf einer aktuellen Datenbasis treffen zu können. Agiles Management, einer der Schlüsselfaktoren für die schnelle Reaktion auf sich ändernde Marktumfelder, ist dagegen weiterhin kaum anzutreffen: Nur 18 Prozent setzen agile Methoden regelmäßig ein; 61 Prozent verzichten darauf.
Digitalziele: Besserer Service, höhere Effizienz
Unternehmen sehen die größten Potenziale der Digitalisierung in einem verbesserten Kundenservice und einer optimierten Kundenakquise. An dritter Stelle folgt eine schnellere Internationalisierung des Geschäfts. Viele Organisationen wollen mit dem Einsatz digitaler Technologien ihre Effizienz steigern und die Kosten senken, indem sie die betrieblichen Abläufe vereinfachen, beschleunigen und flexibilisieren. Großes Potenzial sehen die Unternehmen zudem in der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen. Der Anteil der Unternehmen, der großes Potenzial in der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle sieht, beträgt dagegen nur 12 Prozent, obwohl 44 Prozent einen Effekt der Digitalisierung auf das eigene Geschäftsmodell sehen. Für die Mehrheit der Unternehmen ist dieses Ziel also weiterhin nicht relevant, obwohl die Verschiebungen in der digitalen Ökonomie in den vergangenen zwei Jahrzehnte überwiegend von neuen Geschäftsmodellen ausgelöst wurden.
- Maschinen- und Anlagenbauer verankern die Digitalisierung mit 82 Prozent sehr viel häufiger in der Unternehmensstrategie als der Durchschnitt. Absoluter Vorreiter ist die Branche im Einsatz neuer Technologien: 37 Prozent nutzen Robotik und 29 Prozent 3D-Druck-Verfahren. Jedes zweite Unternehmen verwendet Big Data Analytics, beispielsweise um Sensordaten von Anlagen und Maschinen auszuwerten. Jeder fünfte Maschinenbauer (22 Prozent) setzt bereits auf künstliche Intelligenz. Ein Grund dafür: Künstliche Intelligenz kommt häufig in Verbindung mit modernen Datenanalysen oder Robotik zum Einsatz. Immerhin 17 Prozent setzen Virtual Reality (VR) ein. VR-Systeme unterstützen Mitarbeiter unter anderem dabei, die richtigen Arbeitsschritte in der richtigen Reihenfolge auszuführen, etwa bei der Bedienung von Maschinen oder in der Montage komplexer Baugruppen. Besonders häufig stimmen Maschinen- und Anlagenbauer der Aussage zu, dass sie im Zuge der Digitalisierung bestehende Produkte oder Dienstleistungen anpassen (61 Prozent). Viel Wert legt die Branche auf die Förderung der Digitalkompetenz ihrer Mitarbeiter (80 Prozent). Jedes dritte Unternehmen (35 Prozent) nutzt digitale Systeme, um neue Mitarbeiter zu rekrutieren.
- Nur zwei Drittel der Befragten in der Chemie- und Pharmabranche zeigen sich aufgeschlossen gegenüber der Digitalisierung. Dieser Wert liegt 10 Prozentpunkte unter dem der Gesamtwirtschaft. Dieser Skepsis widerspricht jedoch ein offener Umgang mit digitalen Technologien: Mit 82 Prozent verfügen überdurchschnittlich viele Chemie- und Pharmaunternehmen über eine Digitalstrategie. Analog zu anderen Industriezweigen setzt die Branche fertigungsnahe Technologien besonders häufig ein. 40 Prozent nutzen Robotik, 28 Prozent 3D-Druck und 20 Prozent künstliche Intelligenz. Überdurchschnittlich häufig sehen Chemie- und Pharmaunternehmen große Potenziale der Digitalisierung darin, ihre Effizienz zu steigern und Kosten zu senken. 40 Prozent der Befragten erwarten Effizienzgewinne (Gesamt: 30 Prozent) und 22 Prozent wollen die Kosten senken (Gesamt: 16 Prozent). Darüber hinaus sehen 43 Prozent ein großes Potenzial in der Entwicklung neuer Produkte und Dienstleistungen, während es in der Gesamtwirtschaft nur 34 Prozent sind. Mit 61 Prozent betrachten Chemie- und Pharmaunternehmen die Anforderungen an die IT-Sicherheit besonders häufig als Hürde bei der digitalen Transformation (Gesamt: 50 Prozent). Kein Wunder: Cyberattacken auf Chemieanlagen oder die Produktion von Medikamenten können Menschenleben gefährden.
- Zwar besitzen vier von fünf Handelsunternehmen eine Digitalstrategie. Beim Einsatz der Technologien zögert die Branche jedoch: Mit Ausnahme von Cloud-Computing und Blockchain nutzt der Handel die abgefragten Innovationen vergleichsweise selten. Der Handel legt bei der digitalen Transformation seinen Schwerpunkt darauf, Kunden zu gewinnen und zu halten. 53 Prozent aller befragten Händler wollen ihre Investitionen in eigene Onlineshops erhöhen und 51 Prozent in mobile Websites oder Smartphone-Apps investieren. Mit 49 Prozent beobachtet fast jedes zweite Handelsunternehmen einen Effekt der Digitalisierung auf das eigene Geschäftsmodell, während es in der gesamten Wirtschaft nur 44 Prozent sind.
- Digitale Technologien verursachen im Finanzsektor einen tief greifenden Strukturwandel. Dennoch sind Banken und Versicherungen weniger offen für Veränderung und Innovation und verankern die Digitalisierung seltener als andere Branchen in der Strategie. Dazu passt auch, dass nur 4 Prozent aller Banken und Versicherungen mit Start-ups kooperieren. Zwar sind es in der Gesamtwirtschaft mit 6 Prozent nur wenig mehr, speziell im Finanzsektor agiert inzwischen jedoch eine rege Fintech-und Insurtech-Szene, die digitale Innovationen offensiv vorantreibt. Der Fortschritt beim Einsatz digitaler Technologien ist typisch für eine Dienstleistungsbranche: Cloud-Computing und Internet of Things liegen im Durchschnitt der Gesamtwirtschaft. Technologien wie Robotik, 3D-Druck oder Virtual Reality kommen naturgemäß deutlich seltener zum Einsatz als in der Industrie. Zu den Vorreitern gehören Banken und Versicherungen in Sachen Big Data Analytics – 44 Prozent nutzen diese Technologie. Jeder fünfte Finanzdienstleister (21 Prozent) setzt künstliche Intelligenz ein. Mit einem Anteil von 76 Prozent verändern überdurchschnittlich viele Banken und Versicherungen infolge der Digitalisierung ihre Kundenbeziehungen. In der Gesamtwirtschaft sagen das nur 59 Prozent.
- 72 Prozent der Automobilbauer haben die Digitalisierung strategisch verankert. Drei von vier Unternehmen stehen der Transformation grundsätzlich offen gegenüber. Beim Einsatz digitaler Innovationen zählt die Branche zu den Besten. Sie belegt bei fünf von acht Technologien den Spitzenplatz: 78 Prozent der Unternehmen nutzen CloudComputing, 58 Prozent Big Data Analytics, 27 Prozent das Internet der Dinge und 22 Prozent Virtual oder Augmented Reality. Bei der Nutzung von 3D-Druckverfahren teilen sich die Fahrzeughersteller den ersten Rang mit dem Maschinenbau (29 Prozent). Überdurchschnittlich häufig nutzen Automobilbauer auch künstliche Intelligenz (18 Prozent) und produktionsnahe Robotik (39 Prozent). Einschneidende Änderungen durch die Digitalisierung spürt die Automobilindustrie deutlich häufiger als andere Branchen – und zwar in allen Unternehmensbereichen. 74 Prozent beobachten Effekte auf Marketing und Vertrieb 61 Prozent auf Mitarbeiter und Arbeitsplätze und 57 Prozent auf die Geschäftsprozesse. Auffällig ist mit 55 Prozent der hohe Anteil von Unternehmen, die direkte Auswirkungen auf ihr Geschäftsmodell sehen. Auch erkennen 57 Prozent infolge der Digitalisierung eine Veränderung ihrer Produkte und Services, während es in der Gesamtwirtschaft nur 44 Prozent sind. Deutlich wird der Einfluss der digitalen Transformation auch daran, dass 64 Prozent ihre bestehenden Produkte und Dienstleistungen modifiziert haben und 57 Prozent individualisierte Produkte und Services anbieten.