Die Jobs, die Computer und Roboter schon bald übernehmen

„Race against the Machine“: Früher haben Maschinen Muskelkraft ersetzt. Heute ersetzen lernende Maschinen und Roboter die Jobs der Wissensarbeiter.

Der rasante technische Fortschritt, den Konsumenten in Produkten wie dem iPhone, Apples Siri oder Google Maps täglich erleben, erfasst nun auch die Unternehmen. „Lernende Maschinen“, Fortschritte in der Robotertechnik oder der massenhafte Einsatz von Sensoren beschleunigen den technischen Fortschritt gerade spürbar. Selbstfahrende Autos sind ein Beispiel für eine einsetzende Automatisierungswelle, die sich von früheren „technischen Revolutionen“ in einem wesentlichen Punkt unterscheidet: Erstmals ersetzt Technik nicht nur Muskelkraft, sondern in einem wachsenden Ausmaß die geistigen Fähigkeiten der Menschen. Denn Computer können nicht nur besser Autos steuern, sondern auch Muster in großen Datenmengen viel besser erkennen als der Mensch und dabei einen ihrer größten Vorteile ausspielen: die Skalierbarkeit. Je mehr Daten zu verarbeiten sind, desto größer werden also die Vorteile der Computer.

Die MIT-Wissenschaftler Erik Brynjolfsson und Andrew McAfee haben beobachtet, dass sich der technische Fortschritt in den vergangenen Jahren spürbar beschleunigt hat. „Cutting-Edge-Forschung erklärte uns, warum es selbstfahrende Autos auf absehbare Zeit nicht geben werde. Sie wurde von einer Cutting-Edge-Technologie überholt, die solche Autos Realität werden ließen – und das innerhalb weniger Jahre“, schreiben die Forscher in ihrem Buch „Das zweite Maschinen-Zeitalter“. Die Autos seien kein Einzelfall: Auch bei den Robotern und in der Software sei der Fortschritte über lange Zeit sehr klein gewesen. „Inzwischen können Maschinen aber Aufgaben erledigen, die vor wenigen Jahren noch undenkbar erschienen“. Als Beispiel nennen sie IBMs Supercomputer Watson, der die beiden schlauesten Menschen beim Spiel „Jeopardy“ schlug, weil er die natürliche Sprache verstehen und aus einem unbegrenzten Wissensgebiet die richtigen Antworten besser als intelligente Menschen lieferte. (Im FOCUS in dieser Woche haben wir uns das Unternehmen angeschaut, das schon die beste Software hat und nun auch noch besonders aggressiv in Automation, Roboter und selbstfahrende Autos investiert: Google)

Welche Berufe betroffen sind

Carl Benedikt Frey und Michael Osborne von der Oxford University zählen in ihrem Artikel “The Future of Employment: How susceptible are Jobs to Computerisation?” Beispiele für Berufe auf, in denen Computer auch die Wissensarbeiter recht schnell ersetzen können:

  • In der Medizin können Computer die individuellen Symptome eines Patienten viel besser mit Zehntausenden anderen Fällen und der Fachliteratur abgleichen als der Mensch.
  • Support-Funktionen in Büros und der Verwaltung
  • Wegen der fallenden Kosten für Sensoren rechnet sich der Einsatz von Computer als Überwachungsinstrumente für Wasserleitungen oder Motoren.
  • Apples Siri und Google Now, deren Verarbeitungsqualität der natürlichen Sprache inzwischen recht hoch ist, sind nur Vorläufer der Computer, die menschliche Arbeit aus Call Centern vertreiben.
  • Das fahrerlose Auto könnte zum Beispiel Traktorfahrten in der Landwirtschaft, Gabelstapler oder auf Fahrten zum Güterumschlag ziemlich schnell ersetzen, bevor wahrscheinlich innerhalb der nächsten zehn Jahre die Güterlogistik in den Städten von Autos ohne Fahrer übernommen wird.

Frey und Osborne haben ein Modell entworfen, wie viele Jobs in den USA von der technischen Entwicklung besonders unter Druck geraten. Nach ihrer Schätzung besteht für 47 Prozent aller Beschäftigten auf dem US-Arbeitsmarkt ein hohes Risiko, dass ihre Tätigkeiten innerhalb von ein bis zwei Jahrzehnten von Computern/Robotern übernommen werden könnten. Dazu gehören beinahe alle Tätigkeiten in den Branchen Transport und Logistik, Supportfunktionen in Büros und Verwaltungen und auch die klassische Produktion. Darüber hinaus seien auch viele Dienstleistungsberufe durch den Fortschritt bei Service-Robotern betroffen. Beispiele sind die Pflege oder Hausarbeit.
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Wenn nun neben den Menschen auch die Maschinen intelligent werden, hat das Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft. McKinsey erwartet, dass die aktuellen Technologiesprünge in gleich mehreren Gebieten (siehe Grafik unten) die Arbeit von 100 bis 140 Millionen Wissensarbeiter bis zum Jahr 2025 ersetzen kann, vor allem in den Industrieländern. Das bedeutet nun gerade nicht, dass bis zu 140 Millionen Jobs wegfallen, aber die Wissensarbeiter  stehen unter Druck, das „Rennen gegen die Maschinen“ aufzunehmen, wie es Brynjolfsson und McAfee formulieren.

Wie die „Ökonomie der Superstars“ die Einkommensverteilung ändert

Ein schnellerer technischer Fortschritt wird zu mehr Wohlstand für die Volkswirtschaft als Ganzes führen, da die eingesetzten Arbeitskräfte produktiver werden. Aber: „Computertechnik produziert eine Ökonomie, die Kapital gegenüber Arbeit favorisiert, hochqualifizierte gegenüber geringqualifizierter Arbeit bevorzugt und Superstars hervorbringt, die Weltmärkte beherrschen“, erwarten Brynjolfsson und McAfee. Wenn Roboter immer mehr Jobs mit höherer Qualifikation ersetzen, sinken also  nicht nur die Chancen geringqualifizierter Arbeitnehmer, sondern auch der Mittelschicht. Gewinner sind nur die oberen 20 Prozent der Einkommenspyramide, die immer reicher werden. Erste Auswirkungen dieser digitalen Spaltung sind zur Zeit in San Francisco zu beobachten, wo die Bevölkerung gegen die Google-Busse (und deren gutverdienende, die Mieten hochtreibenden Passagiere) protestiert. Dort sind nur noch 14 Prozent der Häuser auf einem Preislevel, das sich die Mittelschicht leisten kann.

Die Wissenschaft liefert mit der „Ökonomie der Superstars“ eine Erklärung für die wachsende Spaltung. Denn Märkte, in denen der Beste alles bekommt, existieren in der digitalen Welt viel häufiger als in der alten analogen Welt. In einer digitalen Welt ohne Beschränkungen, in der einmal erstellte digitale Produkte kostenlos vervielfältigt werden können, in der es so gut wie keine Transportkosten für digitale Produkte sehr wichtig sind, genügt meist ein kleiner Vorteil, um den gesamten Markt zu gewinnen, während der Zweitplazierte leer ausgeht.

Es mache aber keinen Sinn, sich gegen die Technik zu wehren, argumentieren die beiden MIT-Wissenschaftler. „Wir können das Rennen gegen die Maschinen nicht gewinnen, zumal die Maschinen immer schneller werden, die Menschen aber nicht. Aber die Menschen können lernen, besser mit den Maschinen zu rennen, sie als Verbündete und nicht als Gegner zu betrachten. Der Hebel sei eine gute Bildung, die ebenfalls durch die Technik verbessert werden. Online-Kurse machen es für alle möglich, mehr zu lernen.
McKinsey

Link: The fastests growing jobs – and the robots that will steal them