25 Prozent der deutschen Unternehmen sehen Digitalisierung als Bedrohung ihrer Existenz
„Die Digitalisierung wartet nicht auf Deutschland“, warnt Bitkom-Präsident Achim Berg die deutsche Wirtschaft. Noch immer hat ein Drittel keine Digitalstrategie und muss inzwischen Produkte vom Markt nehmen, weil sie in der digitalen Welt nicht mehr wettbewerbsfähig sein. Große Investitionen in digitale Technologien sind ebenfalls nicht zu beobachten.
„Wir müssen Tempo machen. Die Digitalisierung wartet nicht auf Deutschland“, warnte der Bitkom-Präsident Achim Berg auf der Digitalkonferenz Hub17 – und untermauerte seine Aussage mit erschreckenden Zahlen: Inzwischen sehen schon 25 Prozent der Unternehmen ihre Existenz wegen der Digitalisierung bedroht. Im vergangenen Jahr waren es nur 19 Prozent. Gleichzeitig geben 37 Prozent der Unternehmen zu, Probleme zu haben, die Digitalisierung zu bewältigen. Auch dieser Wert ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen, zeigt eine Repräsentativumfrage des Bitkom unter deutschen Unternehmen mit mindestens 20 Beschäftigten. Während zumindest die größeren Unternehmen die Digitalisierung inzwischen ernsthaft angegangen sind, scheinen immer mehr kleine und mittlere Unternehmen in eine digitale Schockstarre zu fallen, weil sich in die Spielregeln in vielen Märkten wie Handel, Medien und Reise zu ihren Lasten gewandelt haben. In der zweiten Welle der Digitalisierung steht der digitale Systemwechsel nun deutschen Kernbranchen wie der Autoindustrie, der Logistik und im kommenden Jahr mit PSD2 auch den Banken bevor, die immerhin aus den Fehlern der ersten Welle gelernt haben und verstärkt auf Plattform-Modelle setzen.
Analoge Produkte werden aus dem Markt gedrängt
Die Digitalisierung erfasst immer mehr Branchen. 31 Prozent der Unternehmen nehmen inzwischen Produkte oder Dienstleistungen als Folge der Digitalisierung vom Markt. Dieser Wert hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt. Nur ganz leicht sind dagegen die Anteile der Unternehmen gestiegen, die neue (44 Prozent) oder angepasste (62 Prozent) Produkte/Dienstleistungen entwickeln. „Hier müssten wir Werte nahe 100 Prozent erreichen. Erst dann wird Digitalisierung gestaltet, nicht nur verwaltet“, sagte Berg. Das im internationalen Vergleich geringe Entwicklungstempo erweist sich immer klarer als Schwachstelle der deutschen Wirtschaft. Nur Automatisierung oder digitale Optimierung bestehender Produktionsprozesse, was von der Mehrheit der Unternehmen unter „Industrie 4.0“ verstanden wird, reicht nicht, um international konkurrenzfähig zu bleiben.
Nachzügler investieren nicht in digitale Geschäftsmodelle
Nur jedes fünfte befragte Unternehmen investiert in diesem Jahr gezielt in die Entwicklung digitaler Geschäftsmodelle. Dagegen berichten etwa drei von fünf Unternehmen über neue Wettbewerber aus der Digitalbranche, die in ihren Markt eindringen. Ebenso viele betrachten sich selbst als Nachzügler beim Thema Digitalisierung, was sich deutlich beim Einsatz digitaler Technologien zeigt. Zwar sehen 49 Prozent der Befragten die künstliche Intelligenz als eher/sehr bedeutsam für deutsche Unternehmen, aber nur 9 Prozent setzen diese Technologie auch ein. „Das Bewusstsein für die Relevanz neuer digitaler Technologien ist da, aber es wird nicht in die eigene Geschäftstätigkeit übersetzt“, sagte Berg.
Zwar haben sich zwei Drittel der Befragten eine Digitalstrategie gegeben. In 37 Prozent der Fälle gilt sie zentral für das gesamte Unternehmen, 31 Prozent haben sie zumindest in einzelnen Bereichen. 3 von 10 Unternehmen geben allerdings an, über keinerlei Digitalstrategie zu verfügen.
„Digitalisierung ist in zu vielen Unternehmen noch nicht organisatorisch verankert“, sagte Berg. Nur jedes fünfte Unternehmen (21 Prozent) besitzt eine organisatorische Einheit, die sich speziell mit der Digitalisierung beschäftigt. Und nur in jedem zehnten Unternehmen gibt es einen Chief Digital Officer (CDO) oder eine vergleichbare Position wie einen Leiter Digitalisierung.
Politik muss Digitalisierung endlich anpacken
85 Prozent der Unternehmen fordert Digitalisierung als Top-Thema für die Politik. Zugleich befürchtet jedes Zweite (53 Prozent), dass der Politik immer noch das Verständnis für die Digitalisierung fehlt. Eine umfassende Digitalisierung von Ämtern und Behörden gehört für 97 Prozent der Befragten ganz oben auf eine neue Digital-Agenda. Dicht dahinter folgt der Wunsch nach einer Stärkung der Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Fragen der digitalen Bildung (95 Prozent). Und schließlich wünscht sich eine überwältigende Mehrheit (92 Prozent) eine zentrale Stelle in der Bundesregierung für die Koordination der Digitalisierung. Mit etwas Abstand folgt das Thema Breitbandausbau (83 Prozent), und jeweils 7 von 10 Befragten plädieren für eine Stärkung der Digitalkompetenz aller Bürger sowie eine Anpassung des Arbeitsrechts an die Realität der digitalen Welt.