Digitaler Job-Monitor: Technik und Geschäftsmodelle für das Internet der Dinge

Das Internet der Dinge ist einer der Wachstumsmotoren der deutschen Wirtschaft. Die Zahl der ausgeschriebenen offenen Stellen in diesem Segment ist um 105 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, zeigt der digitale Job-Monitor. Meist werden Techniker gesucht; die Verbindung zu den Geschäftsmodellen ist bisher in den Stellenausschreibungen nicht zu erkennen.

Der Lehrplan könnte kaum vielfältiger sein: Von Mathematik, Programmieren, Blockchain und IT-Sicherheit über Startup-Management bis zu Design Thinking. Wer an der Hochschule Aalen den ersten Studiengang Deutschlands zum Internet der Dinge (Internet of Things – IOT) wählt, bekommt einen interdisziplinären Mix aus deutscher Ingenieurskunst, Softwarewissen, Wirtschaft und Design präsentiert. „Wir haben die Disziplinen zusammengebracht, die das Internet der Dinge zum Erfolg braucht“, sagt Markus Weinberger, der zuletzt für Bosch das IOT Lab an der Universität St. Gallen aufgebaut hat und nun in Aalen lehrt. Seine Absolventen müssen sich um ihre Jobs keine Sorgen machen: Die Nachfrage nach IOT-Profis steigt gerade sprunghaft an. Im zweiten Quartal ist die Zahl der ausgeschriebenen Stellen um 105 Prozent gegenüber dem Vorjahr gestiegen, zeigt der Digitale Jobmonitor des Handelsblatts. Im Jahr zuvor betrug der Zuwachs nur 43 Prozent. Damit gehört das Internet der Dinge zu den Wachstumsmotoren am digitalen Jobmarkt. Lediglich die Spezialisten für Künstliche Intelligenz und für 3D-Druck weisen aktuell größere Steigerung auf, hat die Berliner Index-Gruppe mit einer Analyse aller ausgeschriebenen offenen Positionen in Deutschland ermittelt.

Die größten Zuwächse werden im industriellen Internet der Dinge erwartet

Das Internet der Dinge ist eines der Top-Zukunftsthemen der deutschen Wirtschaft. Dabei werden Gegenstände mit dem Internet verknüpft, die selbständig miteinander kommunizieren und verschiedene Aufgaben für den Besitzer erledigen können. Der Mähroboter, der im Garten automatisch seine Runden dreht, gehört ebenso dazu wie die Ampel, die auf die Verkehrsdichte reagiert oder die Drohne, die Windräder kontrolliert und Probleme meldet. Die größten Zuwächse in Deutschland werden allerdings in der Automobilindustrie sowie im Maschinen- und Anlagenbau erwartet, die zusammen mehr als die Hälfte des industriellen IOT-Teils abdecken. „Das industrielle Internet der Dinge ist wesentlich für den Erhalt und den Ausbau der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf den Weltmärkten“, sagt Harald Summa, Geschäftsführer des Branchenverbandes Eco. Um durchschnittlich 19 Prozent im Jahr werde der Markt bis 2022 wachsen, erwartet er. Entsprechend stammen die meisten Stellenausschreibungen heute aus der klassischen Industrie, wozu auch die Chemie- und Pharmabranche gehören. Das Internet der Dinge soll hier vor allem helfen, die Kosten in der Produktion zu senken. Aber auch Versicherungen sind an der Technik sehr interessiert:  Sensoren in Autos und Häusern sowie Körpertracker liefern spannende Daten, die Versicherer für Schadensabwicklung oder die exakte Tarifberechnung nutzen.

Neudenken des Geschäftsmodells

Damit dieses Internet der Dinge aber nicht nur technisch funktioniert, sondern von den Menschen auch nachgefragt wird, sind neben den Ingenieuren und Programmierern auch die Ökonomen gefragt, die daraus ein Geschäftsmodell bauen, und die Designer, die ein Produkt brauchbar gestalten. Denn der vernetzte Kühlschrank, der seit Jahren als Beispiel für das Scheitern des Internet der Dinge herhalten muss, war technisch möglich, aber kein Mensch wollte ihn haben. Nur mit Technik allein ist es also nicht getan. „Das industrielle IOT erfordert ein Neudenken des gesamten Geschäftsmodells. Langfristig sichern diese Maßnahmen aber die Position der deutschen Industrie im globalen Wettbewerb“, erwartet Lars Riegel vom Beratungsunternehmen Arthur D. Little. Denn statt fertiger Maschinen kann die Industrie künftig intelligente Services verkaufen. Zum Beispiel störungsfreie Betriebsstunden einer Maschine, was Einnahmen über deren gesamte Lebensdauer erzeugt.

Meist werden Techniker gesucht

Noch zielen die meisten Stellenausschreibungen aber auf technische Qualifikationen. Das beginnt bei Kenntnissen über Sensoren und Aktoren, die inzwischen in alle Produkte eingebaut werden, um die nötigen Nutzungsdaten zu messen. Die moderne Sensorik führt zu einem viel höheren Niveau der Qualitätskontrolle, was wiederum Effekte auf die Jobs auslöst:  „Die Sensorik liefert so viele Daten, dass viele Tätigkeiten in der klassischen Qualitätssicherung wegfallen können“, sagt David Kremer vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation in Stuttgart. Die gesuchten Fachkräfte müssten künftig diese Systeme und Maschinen steuern, Daten analysieren und daraus die richtigen Schlüsse ziehen. Daneben sind weitere Hardware-Spezialisten gefragt. Um die Daten direkt an Ort und Stelle zu verarbeiten, sind die intelligenten Produkte meist mit eingebundener (Embedded) Software und lokalen Prozessoren ausgestattet. Damit die IOT-Produkte möglichst lange durchhalten, muss der Energiebedarf minimiert werden. Schließlich werden für die Übertragung der Daten Fachkenntnisse in Antennentechnik benötigt.

Erst autonome Maschinen bringen den wahren Fortschritt

Erst am Ende der Kette fällt der größte Bedarf am Arbeitsmarkt an: Die Analyse der übertragenen Daten und das Programmieren der benötigen IOT-Anwendungen, wofür vorwiegend Softwarespezialisten gesucht werden. Hier liegt auch das größte Zukunftspotenzial. Denn der spannende Teil der künftigen Wertschöpfung besteht in der Automatisierung, die den Menschen von unnötigen Aufgaben entlastet. „Heute befinden wir uns noch im Fernsteuerungszeitalter, in dem Maschinen aus der Ferne überwacht werden“, erklärt Wissenschaftler Weinberger. Künftig könnten vernetzte Dinge dank künstlicher Intelligenz und Machine Learning autonom handeln und den Menschen entlasten. Darin liegt der wahre Fortschritt im Internet der Dinge.

Überhaupt ist das Internet der Dinge nichts mehr für Einzelkämpfer. Industrielle IoT-Lösungen setzen sich aus rund 30 Kompetenzen zusammen. „Kein Unternehmen ist in der Lage, die gesamte Wertschöpfungskette alleine abzudecken. Bei Industrial-IoT handelt es sich um ein Ökosystem-Geschäftsmodell“, sagt Eco-Chef Summa. Industrieübergreifende Kooperationen sei daher eine Grundvoraussetzung, um relevante Services anbieten zu können. Genau dafür bildet Weinberger seine Studenten aus: „Wir brauchen die Brückenbauer, die die Sprachen aller Beteiligten im Internet der Dinge verstehen“.