Digitaler Zwilling ist ein wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit

Die Möglichkeiten, mit Hilfe digitaler Technologien die Nachhaltigkeit zu verbessern, sind bisher erst in Ansätzen ausgeschöpft. „Digitale Zwillinge sind ein wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit. Aber dafür müssen sie so genau wie möglich sein“, sagt Michael Rambold von AWS. Auch die Kreislaufwirtschaft funktioniert digital und ökologisch am besten.

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Digitale Technologien spielen in den Klimaschutzbemühungen in der deutschen Wirtschaft eine wichtige Rolle. Mehr als drei Viertel der Unternehmen geben an, den CO2-Ausstoß durch den Einsatz digitaler Technologien und Anwendungen gesenkt zu haben. Besonders groß ist dieser Effekt in der Industrie (86 Prozent), gefolgt von Handel (81 Prozent) und Dienstleistern (71 Prozent), zeigt eine Repräsentativumfrage des Bitkom.

Besonders gute Hebelwirkungen für die Umwelt haben nach einer Acatech-Studie Digitale Zwillinge, Daten-Ökosysteme, Datenanalyse und Tools zur Systemmodellierung sowie der digitale Produktpass. Der digitale Zwilling spielt auch für Michael Rambold, Senior Manager Solutions Architecture bei AWS, eine wichtige Rolle im Umweltschutz. Beispiel Coca-Cola. „Coca-Cola hat in der Türkei digitale Technologie genutzt, um den Produktionsprozess in ihren 26 Abfüllanlagen zu optimieren. Mit Hilfe eines digitalen Zwillings, der die physischen Abläufe in einem digitalen  Modell simuliert, konnten 30 Verbesserungsmöglichkeiten identifiziert werden, die den Stromverbrauch um 20 Prozent und den Wasserbrauch um 9 Prozent reduziert haben“, erzählt Rambold. Wegen der Simulationsmöglichkeiten müssten die Unternehmen nicht den laufenden Betrieb umstellen, sondern können die Schritte erstmal ausprobieren. „Hier gilt: Je besser der digitale Zwilling ist, also je mehr Daten aus der Abfüllanlage erfasst werden, desto weniger müssen die Unternehmen in den laufenden Betrieb eingreifen, bevor sie wissen, dass die geplante Änderung wirkt. Das bedeutet: Digitale Zwillinge sind ein wichtiger Hebel für mehr Nachhaltigkeit. Aber dafür müssen sie so genau wie möglich sein“, sagt Rambold im Podcast (hier die gesamte Folge)


In die Kategorie der Technologien mit Effekten nur auf selektive Umweltfaktoren fallen nach Acatech-Berechnungen „Grüne“ ERP-Systeme, virtualisierte Anwendungen zum Produktdesign, zur Wartung oder Schulung, integrierte Maschinen- und Anlagensteuerung, datenbasierte Optimierung und Elektrifizierung von Fahrzeugen und Logistik sowie Smart Energy Supply und Management.

Digitale Technologie kann auch in der Landwirtschaft hilfreich sein. „Bei Xarvio, einem Unternehmen von BASF Digital Farming,  nutzen wir verschiedene Datenquellen, zum Beispiel aus einer Bilderkennungssoftware vom Feld, aus Pflanzen-Klimamodellen und Wetterdaten. Die Daten werden in ein Machine-Learning-Modell gepackt, um vorherzusagen, welche Düngung oder Wasserzugabe ideal ist, um zum Beispiel eine Krankheit zu besiegen. Früher hat man sich auf sehr viel Erfahrung gestützt, die aber nicht jeder hatte. Heute kann sich jeder Landwirt diese Lösung zulegen, um seinen Ressourcenverbrauch zu optimieren“, erläutert Rambold.

Nachhaltigkeit ist seiner Ansicht ein Daten- und Innovationsproblem. „Zum Datenproblem: Als Unternehmen muss ich erstmal schauen, an welchen Stellen im Unternehmen die Emissionen überhaupt entstehen und wie hoch sie sind. Das ist gar nicht so leicht. Denn es geht nicht nur um Approximationsmodelle, sondern um stichhaltige Modelle, die mit Unternehmensdaten gefüttert werden, um die größten Hotspots und den Handlungsbedarf genau zu erkennen“, erklärt Rambold. Daran schließe sich das Innovationsproblem an. „Beispiel Bauwirtschaft: Wenn wir ein Rechenzentrum bauen, steckt im Gebäude CO2, zum Beispiel im Stahl oder im Beton. Wir sprechen dann von „Embodied Carbon“. Für die AWS-Rechenzentren nutzen wir Beton, der 23 Prozent weniger CO2 enthält, oder zu 100 Prozent wiederverwendbaren Stahl. Das sind große Hebel“, sagt Rambold.

Nach Ansicht von AWS ist die Nutzung der Cloud wesentlich effizienter als der Betrieb eigener Infrastruktur. „Wir haben eine Studie bei 451 Research in Auftrag gegeben. Danach sind Server in der Cloud bis zu fünf Mal so energieeffizient wie Server in einem normalen Rechenzentrum. Europäische Unternehmen können ihren Energieverbrauch um bis zu 80 Prozent verringern, wenn sie ihre Anwendungen in die AWS-Cloud bringen und nicht lokal in einem Rechenzentrum ausführen“, sagt Rambold.

In ihrem Ausblick diagnostizieren die Acatech-Forscher großen Handlungsbedarf, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Denn der Großteil der betrachteten digitalen Lösungen setze entweder am Nachhaltigkeitshebel der grünen Produktion oder der grünen Lösungen an. Digitale Lösungen, die die Nachhaltigkeit digitaler Tools an sich stärken (nachhaltige digitale Lösungen), also grüne Technologien, existierten bisher nur sehr vereinzelt, stehen aber im Fokus der Green-IT- und Clean-IT-Initiativen. Digitale Lösungen, die explizit eine grüne Nutzung fokussieren, bestehen bisher kaum. „Digitale Produktpässe und digitale Zwillinge befähigen den Umstieg auf eine zirkuläre Wirtschaftsweise (Circular Economy), ansonsten mangelt es aber auch in diesem Bereich an digitalen Lösungen“.

Verfügbare digitale Lösungen in der deutschen Wirtschaft setzten vor allem an Effizienzhebeln an (Technologie, Produktion, Lösung) und reduzieren den negativen Umwelteinfluss des Sektors, in dem sie eingesetzt werden, unter dem bestehenden Paradigma einer linearen Wirtschaftsweise. Es mangelt jedoch bis auf einzelne Ausnahmen an verfügbaren digitalen Lösungen, die effektiv eine Stärkung der ökologischen Nachhaltigkeit über verändertes nachhaltiges Nutzungsverhalten und eine zirkulär orientierte Wirtschaftsweise ermöglichen. „Das unterstreicht die Bedeutung einer forcierten Kreislaufwirtschaftsstrategie als komplementäre Rahmensetzung. Es bedarf also umfangreicher Anreize und eines Wandels im unternehmerischen Selbstverständnis, um die ökologischen Nachhaltigkeitspotenziale und die damit verbundenen ökonomischen Wertschöpfungspotenziale des Einsatzes digitaler Lösungen umfassender zu erschließen“, heißt es in der acatech-Studie.