Oxford-Ökonom Frey: Digitalisierung lässt die Jobs der Mittelklasse verschwinden
Digitalisierung und Automatisierung kosten (bisher) keine Jobs, verschieben aber die Qualität der Positionen signifikant. „In jeder entwickelten Volkswirtschaft sind in den vergangenen drei Jahrzehnten die Jobs der Mittelklasse verschwunden. Im Gegenzug haben wir haben Wachstum in Jobs für Hochqualifizierte und in Jobs für Niedrigqualifizierte gesehen. Automatisierung macht die Menschen also nicht arbeitslos, sondern verschiebt sie […]
Digitalisierung und Automatisierung kosten (bisher) keine Jobs, verschieben aber die Qualität der Positionen signifikant. „In jeder entwickelten Volkswirtschaft sind in den vergangenen drei Jahrzehnten die Jobs der Mittelklasse verschwunden. Im Gegenzug haben wir haben Wachstum in Jobs für Hochqualifizierte und in Jobs für Niedrigqualifizierte gesehen. Automatisierung macht die Menschen also nicht arbeitslos, sondern verschiebt sie häufig in Positionen mit anderem Einkommen und sozialem Status“, sagte Oxford-Ökonom Carl Benedikt Frey auf der DLD-Konferenz von Hubert Burda Media in München.
Viele Freigesetzte mit geringer Qualifikation seien in Servicejobs gelandet; Menschen mit hoher Qualifikation verdienten ihr Geld heute mit professionellen Dienstleistungen. Frey ist Ko-Autor der inzwischen berühmten Studie „The Future of Employment“, in der er schon 2013 warnte, dass Digitalisierung 47 Prozent der Industriejobs in den USA gefährde. Mit dieser Studie wurde die Diskussion über die Beschäftigungswirkungen der Digitalisierung losgetreten.
Bildung und Geschlecht entscheiden über Aufstieg oder Abstieg
Über den Weg aus der Mittelklasse nach oben oder unten entscheide meist die Bildung und auch das Geschlecht. Frauen finden sich heute viel häufiger vor dem Computer an ihrem Arbeitsplatz, während Männer arbeitslos zu Hause vor dem Fernseher sitzen. Die sozialen Konsequenzen: Diese Männer haben eine weit geringere Chance, Frauen für eine Ehe zu finden und mit ihr Kinder zu bekommen. „Welche Frau will solche Loser schon heiraten?“, fragte Frey. In diesen Regionen wachse die Gewalt und es werde anders gewählt, sagte Frey in Anspielung auf die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Auch während der ersten industriellen Revolution sei es vielen Menschen in den ersten 70 Jahren schlechter gegangen, bevor die Produktivitäts- und Wachstumseffekte für höheren Wohlstand für die Massen geführt haben. Aber in der Übergangszeit sei es natürlich schwierig, die Unterstützung der Menschen für den Wandel zu bekommen.
Regionale Cluster: Die Digitalen sammeln sich in den Städten
Dass Digitalisierung/Automatisierung am Ende nicht zum Wegfall von Jobs führt, erwartet auch Paul Dougherty, CTO von Accenture. „Das Problem liegt nicht bei den Jobs, das Problem liegt bei der Fähigkeiten“, sagte Dougherty. Weiterbildung müsse auf eine Ebene gehoben werden, damit die fehlenden AI-Kenntnisse nicht zu einer Wachstumsbremse werden. Bisher gebe es nur rund 10.000 KI-Spezialisten weltweit, die stark umworben seien. Diese Zahl müsse schnell steigen. Welche Jobs die vielen künftig freigesetzten Taxi- oder LKW-Fahrer künftig machen sollen, konnte aber auch er nicht beantworten.
Für Frey führt Digitalisierung noch zu einem zweiten Effekt einer regionalen Clusterung: „Neue Stellen für Hochqualifizierte werden nur in den Städten geschaffen“. Das sei gut für die Städte, schlecht für die Regionen, in denen sie fehlen.
Dennoch stehe die Entwicklung erst am Anfang. „Millionen intelligente Roboter werden unser tägliches Leben erleichtern und werden in den kommenden 5 bis 10 Jahren viel präsenter, zum Beispiel im Gesundheitswesen. Wir müssen dringend die jungen Menschen im Umgang mit diesen Robotern trainieren. Und damit meine ich nicht das Spielen mit dem Smartphone. Wir müssen die Menschen auf diese Reise mitnehmen“, sagte Sami Haddadin von der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover auf der DLD-Konferenz. Im Vergleich zum Vorjahr bestimmten heute mehr die Potentiale und weniger die Ängste der Automatisierung die Diskussionen. Die nächste Generation der Industrie unterscheide sich, weil Maschinen und Menschen neue Formen der Arbeit entwickelten.